Umsatzsteuerbefreiung von Versicherungsleistungen – Wann liegt eine Versicherungsleistung vor?
Zu Beginn des neuen Jahres stellen wir zwei Sachverhalte vor, bei denen es um die Frage geht, unter welchen Umständen Umsätze als Versicherungsleistungen von der Umsatzsteuer befreit sind.
1. Garantieleistungen Dritter
Bereits mit Urteil vom 16. Juli 2015 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rs. Mapfre Warranty (C-584/13) entschieden, dass die im Rahmen des Kaufs eines Gegenstandes von einem Dritten angebotene Versicherung eine von der Umsatzsteuer befreite Leistung ist.
In dem entschiedenen Fall konnten Käufer von Gebrauchtwagen über den Gebrauchtwagenhändler mit einem (unabhängigen) Versicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag abschließen, der bestimmte Reparaturen und Ersatzteile abdeckte. Im Versicherungsfall konnte sich der Gebrauchtwagenkäufer an eine Werkstatt seiner Wahl wenden, die ihrerseits mit dem Versicherer Kontakt aufnahm, um den Kostenvoranschlag für die Reparatur zu genehmigen.
Der Versicherer ging davon aus, dass er als „Subunternehmer“ des Gebrauchtwagenhändlers eine sonstige Dienstleistung erbrachte, die nicht der Versicherungsteuer, wohl aber der Umsatzsteuer unterläge. Der EuGH teilte diese Auffassung nicht und bejahte stattdessen ein unmittelbares Versicherungsverhältnis zwischen Versicherer und Gebrauchtwagenkäufer.
Die Tatsache, dass zwischen der versicherten Sache und der Versicherung naturgemäß eine enge Verbindung besteht, rechtfertigt nicht die Annahme einer einheitlichen Leistung, die Qualifizierung der Versicherungsleistung als Nebenleistung oder die Annahme, dass eine einheitliche Leistung künstlich aufgespalten wurde.
Die Finanzverwaltung hat sich mit Schreiben vom 30. November 2017 dieser Auffassung angeschlossen und den Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) entsprechend ergänzt (Abschnitt 4.10.1 (4) UStAE).
2. Gebrauchtwagengarantie eines Autohändlers
Unter Berücksichtigung des vorgenannten EuGH-Urteils beurteilte das Finanzgericht Niedersachsen mit Urteil vom 23. Februar 2017 (11 K 134/16) die von einen Autohändler gewährte Gebrauchtwagengarantie als steuerpflichtige Dienstleistung.
Der Händler hat beim Verkauf von gebrauchten Fahrzeugen den Käufern eine Gebrauchtwagengarantie zu einem gesonderten Entgelt angeboten. Die Käufer hatten im „Garantiefall“ gegenüber dem Autohaus einen Anspruch auf Reparatur des Fahrzeugs oder Erstattung der Kosten, wenn sie ihr Fahrzeug in anderen Werkstätten reparieren lassen.
Das Finanzgericht kam unter Verweis auf ein älteres BFH-Urteil (vom 10. Februar 2010 – XI R 49/07) zu dem Ergebnis, dass die Gebrauchtwagengarantie eine einheitliche Leistung darstellt. Denn die beiden Bestandteile – Reparaturanspruch bzw. Kostenerstattungsanspruch im Sinne einer Versicherungsleistung – dienen aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers einem einheitlichen Zweck, das Fahrzeug im Schadensfall wieder fahrtüchtig zu erhalten. Prägendes Merkmal sei vorliegend der Reparaturanspruch und nicht die Kostenerstattung.
Ferner unterstellt das Finanzgericht – hier nun abweichend von dem BFH-Urteil aus 2010 -, dass die Gebrauchtwagengarantie eine Nebenleistung zum Verkauf des Fahrzeugs darstellt. Eine Begründung hierzu liefert das FG nicht.
Die Rechtsauffassung des FG (Nebenleistung zum Verkauf des Pkw) führt letztlich zum gleichen Ergebnis wie die Rechtsauffassung des BFH (keine Nebenleistung zum Verkauf, aber einheitliche Leistung ohne Versicherungscharakter): Das auf die Gebrauchtwagengarantie entfallende Entgelt ist umsatzsteuerpflichtig.
Nach unserer Einschätzung sind beide Aspekte der Urteilsfindung nicht unstrittig:
- Der Charakter einer Nebenleistung zum Fahrzeugkauf wäre nur zu bejahen, wenn die Garantieleistung für den Käufer keinen eigenen Zweck hat. Erwerb des Fahrzeugs und Reparaturanspruch im Schadensfall können aber durchaus getrennt zu betrachten sein.
- Dass die Garantiezusage als einheitliche und steuerpflichtige Leistung „ohne Versicherungscharakter“ beurteilt wird, ist ebenfalls streitbar. Denn für den Kunden macht es wirtschaftlich betrachtet keinen Unterschied, ob er die Versicherung bei einem Dritten abschließt (Versicherungscharakter vom EuGH bejaht) oder eine vergleichbare Zusage vom Kfz-Händler erhält.
Es bleibt abzuwarten, ob der Bundesfinanzhof im Revisionsverfahren (XI R 16/17) bei seiner bisherigen Einschätzung bleibt oder ob die Garantiezusage als steuerfreie Versicherungsleistung einordnet. Im Endkundengeschäft, wo die Umsatzsteuer zum Kostenfaktor wird, ist diese Frage auch aus Käufersicht nicht unbedeutend.
Wenn es am Ende darum geht – wie in dem vom EuGH entschiedenen Fall – ob ein Umsatz der Versicherungssteuer oder der Umsatzsteuer unterliegt (wobei die umsatzsteuerliche Behandlung für die versicherungssteuerrechtliche Einordnung nicht maßgeblich ist) – wäre die Verneinung einer Versicherungsleistung möglicherweise die bessere Alternative. Denn auch die (nicht abziehbare) Versicherungssteuer beträgt bekanntlich 19%, darüber hinaus kommt es bei den von der Umsatzsteuer befreiten Umsätzen zum anteiligen Vorsteuerabzugsverbot (§ 15 Abs. 2 UStG) auf Seiten des Kfz-Händlers.
Wir beraten Sie gern zu diesen und weiteren umsatzsteuerlichen Themen und freuen uns über eine Kontaktaufnahme bzw. Rückmeldung.
Norderstedt, Januar 2018
Dieser Beitrag ersetzt keine steuerliche Beratung und soll nur allgemein über steuerliche Themen informieren. Wir übernehmen daher keine Gewähr und somit keine Haftung für die Vollständigkeit und Aktualität sowie Richtigkeit der Inhalte.
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