Die Tücken der Differenzbesteuerung
Während die Differenzbesteuerung sich insbesondere im Gebrauchtwagenhandel großer Beliebtheit erfreut, ist sie in der umsatzsteuerlichen Praxis gleichwohl oft streitbehaftet. Dies beweist einmal mehr eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH), der für die Berufung auf einen Vertrauens- und Gutglaubensschutz des Wiederverkäufers erneut hohe Hürden anlegt.
1. Hintergrund
Unter den Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) kann ein Unternehmer die Differenzbesteuerung anwenden.
Dies bedeutet, dass nur die Differenz zwischen dem Verkaufs- und Einkaufspreis in der Form besteuert wird, dass die Umsatzsteuer aus dieser Differenz herausgerechnet wird.
Hierzu müssen (wenn man einmal die Besonderheiten bei Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten sowie beim innergemeinschaftlichen Handel ausgeklammert) grundsätzlich drei Voraussetzungen erfüllt sein:
- Der Unternehmer ist Wiederverkäufer. Dies setzt voraus, dass er gewerbsmäßig mit betreffenden Gegenständen handelt.
- Es handelt sich um bewegliche körperliche Gegenstände (mit Ausnahme von Edelsteinen und Edelmetallen), die vom Vorlieferanten an den Wiederverkäufer im Gemeinschaftsgebiet geliefert worden sind.
- Für diese Lieferung ist Umsatzsteuer entweder nicht geschuldet (z. B. durch Ankauf von Nicht- oder Kleinunternehmern) oder es ist vom Vorlieferanten ebenfalls die Differenzbesteuerung angewendet worden.
Die Beweislast für das Vorliegen der o.g. Voraussetzungen liegt stets beim Unternehmer. Er muss also insbesondere nachweisen, dass sein Vorlieferant tatsächlich für den Umsatz entweder keine Umsatzsteuer geschuldet oder die Differenzbesteuerung rechtmäßig beansprucht hat.
Der Unternehmer muss auf die Anwendung der Differenzbesteuerung auf seiner Rechnung hinweisen und darf die Umsatzsteuer nicht offen ausweisen, so dass ein Vorsteuerabzug für den Käufer ausgeschlossen ist.
2. Entscheidung des BFH
Der Kläger ist Gebrauchtwagenhändler, kaufte Fahrzeuge von (vermeintlichen) Privatverkäufern und nahm beim späteren Weiterverkauf die Differenzbesteuerung in Anspruch.
Das Finanzamt versagte die Anwendung der Differenzbesteuerung jedoch, da diverse Umstände (Abweichung Verkäufer und letzter Halter, keine Verkaufsvollmacht vom Halter zugunsten des Verkäufers, unrichtige Fahrgestellnummern) gegen einen Ankauf des Klägers von Privatpersonen sprachen. Das Finanzamt ging vielmehr von einem Ankauf bei einem „verkappten Händler“ aus.
Da das Vorliegen der Voraussetzungen zur Anwendung der Differenzbesteuerung wegen der zweifelhaften Umstände nicht mit hinreichender Gewissheit festgestellt werden konnte, hatte bereits das Finanzgericht (Urteil des FG Düsseldorf vom 24. März 2021 – 5 K 1414/18 U) die Anwendbarkeit der Differenzbesteuerung verneint.
Der BFH wies die Revision des Klägers mit Beschluss vom 11. Dezember 2024 (XI R 15/21) zurück und führte in den Entscheidungsgründen aus:
- Der Wiederverkäufer trägt in ständiger Rechtsprechung die Beweislast zur Anwendbarkeit der Differenzbesteuerung.
- Liegen die materiellen Voraussetzungen nicht vor, so kann Vertrauensschutz des Wiederverkäufers in Betracht kommen, wenn er in gutem Glauben handelt und alles Zumutbare getan hat, um eine Beteiligung an einer Steuerhinterziehung des Vorlieferanten auszuschließen.
Im Streitfall drängte sich aufgrund der Ungereimtheiten im Ankauf bei einmaligen, dem Kläger vorher unbekannten Vorlieferanten eine solche zusätzliche Aufklärungspflicht auf. Weil der Kläger dies unterließ, hatte er nicht alles Zumutbare getan, um sich von der Rechtmäßigkeit der Anwendbarkeit der Differenzbesteuerung zu überzeugen.
3. Bewertung
Das Urteil des BFH zeigt die Tücken der Differenzbesteuerung. Denn die Anwendbarkeit der Sonderregelung wird von Voraussetzungen abhängig gemacht, die in der Sphäre des Vorlieferanten angelegt sind und vom Unternehmer praktisch nicht überprüft werden können.
Bereits beim Ankauf ist alles Zumutbare dafür zu tun, um belegen zu können, dass der Vorlieferant Umsatzsteuer entweder tatsächlich nicht geschuldet hat oder zumindest die Differenzbesteuerung zulässigerweise anwenden durfte.
Exemplarisch gehören hierzu Maßnahmen zur Identitätsfeststellung, zur Statusfeststellung des Vorlieferanten (Privatperson oder Kleinunternehmer sowie Unternehmer, der selbst Wiederverkäufer ist) und zur gründlichen Plausibilitätskontrolle bei einmaligen oder neuen Geschäftsbeziehungen.
Etwaige Auffälligkeiten oder Widersprüche (wie z. B. im Streitfall bezüglich der Abweichung von Halter und Verkäufer) sollten dabei sofort aufgeklärt werden. Bei unzureichender Dokumentation sind Sachverhaltsumstände des Ankaufs im Nachgang (z. B. im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung) häufig nicht mehr vollständig rekonstruierbar.
Zweifel an der Anwendbarkeit der Differenzbesteuerung gehen regelmäßig zu Lasten des Wiederverkäufers, was zu hohen Umsatzsteuernachforderungen zzgl. Zinsen führen kann.
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Norderstedt, April 2025
Dieser Beitrag ersetzt keine steuerliche Beratung und soll nur allgemein über steuerliche Themen informieren. Wir übernehmen daher keine Gewähr und somit keine Haftung für die Vollständigkeit und Aktualität sowie Richtigkeit der Inhalte.
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