Keine Unternehmereigenschaft der Bruchteilsgemeinschaften

Bekanntlich findet das Umsatzsteuergesetz nur für Unternehmer Anwendung. Der Bundesfinanzhof hatte (wieder einmal) zu entscheiden, inwiefern eine Bruchteilsgemeinschaft diese Voraussetzung erfüllt. Das nunmehr veröffentlichte Urteil vom 22. November 2018 könnte erhebliche Auswirkungen auf die langjährige Praxis haben.

1. Bruchteilsgemeinschaft und Gesamthand

 

Bei einer Gemeinschaft nach Bruchteilen (Bruchteilsgemeinschaft) steht ein Recht mehreren Personen gemeinschaftlich zu (§ 741 BGB). Die Gemeinschaft vereint „zufällige“ Berechtigungen an z. B. Forderungen, Patenten oder gemeinsamen Gegenständen. Die Bruchteils- ist im Gegensatz zur Gesamthandsgemeinschaft zivilrechtlich nicht rechts- sowie partei- und damit selbst nicht handlungsfähig. Die Gesamthandsgemeinschaft (z. B. GbR oder KG) unterscheidet sich darüber hinaus von der Bruchteilsgemeinschaft dadurch, dass das gemeinsame Recht für einen gleichgerichteten Zweck, der über das bloße Halten und Verwalten hinausgeht, genutzt wird und hierüber eine Vereinbarung zwischen den Gemeinschaftern besteht.  

 

2. Entscheidung des BFH

 

Im Streitfall hatten mehrere Ärzte zusammen einen Gegenstand zur Gewebecharakterisierung erfunden und durch entgeltliche Überlassung an einen Dritten verwertet. Die Abrechnungen erfolgten durch Gutschrift gegenüber jedem einzelnen Erfinder. Nach Auffassung des BFH ist eine solche Erfindergemeinschaft aufgrund fehlender besonderer Vereinbarung und insbesondere wegen der unterbliebenen Bildung eines Gesamthandsvermögens als Bruchteilsgemeinschaft gem. § 741 BGB zu beurteilen.

 

Eine solche Bruchteilsgemeinschaft ist – anders als die Gesamthand – wegen ihrer nicht bestehenden Rechtsfähigkeit nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht Unternehmerin i. S. d. Umsatzsteuergesetzes.

 

Als Folge hieraus ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs jeder Gemeinschafter (mit seinem Anteil) umsatzsteuerlicher Unternehmer. Die Erlöse aus der entgeltlichen Verwertung des Patents sind also dem einzelnen Gemeinschafter zuzurechnen und von diesem der Umsatzsteuer zu unterwerfen.

 

3. Beurteilung und Auswirkungen für die Praxis

 

Die Frage, ob eine Bruchteilsgemeinschaft oder eine Gesamthand vorliegt, ist nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zu beantworten. Dies ist unbefriedigend, soll sich doch die EU-weit harmonisierte Umsatzsteuer eigentlich nicht an nationalen zivilrechtlichen Vorgaben orientieren.

 

Das Urteil steht im Widerspruch zur bisherigen umsatzsteuerlichen Handhabung der Bruchteilsgemeinschaften durch die Finanzverwaltung. Diese geht basierend auf älteren Urteilen von deren Unternehmereigenschaft aus. Sie sind bislang also Steuerschuldner und insoweit auch zum Vorsteuerabzug berechtigt. Für die Jahre, für die bereits eine Festsetzung der Umsatzsteuer für das Kalenderjahr erfolgt ist, sollte Vertrauensschutz nach
§ 176 Abs. 2 Abgabenordnung bestehen.

 

Darüber hinaus wären die Auswirkungen allerdings erheblich. Z. B. folgende Aspekte wären unseres Erachtens für Jahre ohne Steuerfestsetzungen zu berücksichtigen:

  • Eingangsrechnungen sind nicht mehr an die Gemeinschaft, sondern an die jeweiligen Gemeinschafter zu adressieren.
  • Ausgangsrechnungen müssen die Gemeinschafter als Leistende aufführen.
  • Der Verzicht auf die steuerfreie Vermietung sollte von jedem Einzelnen erklärt werden.
  • Organschaften sind zu überprüfen.
  • Jeder Gemeinschafter muss eine Umsatzsteuererklärung abgeben.

 

Keine Bedeutung hat die gesamte Thematik für den Bereich der Wohnungsvermietung durch Bruchteilsgemeinschaften. Denn diese Umsätze sind steuerfrei und berechtigen nicht zum Vorsteuerabzug. Ob die Umsätze dem einzelnen Gemeinschafter oder der Gemeinschaft zuzurechnen sind, ist materiell belanglos. Zu klären wäre freilich, wer im Fall des Bezugs von Leistungen durch im Inland nicht ansässige Handwerker die Steuer gem. § 13b UStG (reverse charge) schuldet.

 

Anders sieht es bei der steuerpflichtigen Vermietung von Ferienhäusern aus, die sich im gemeinschaftlichen Besitz mehrerer Personen befinden. Hier muss im Kontext des Urteils geklärt werden, ob die Steuer von der Gemeinschaft oder von jeder beteiligten Person anteilig geschuldet wird.

 

Zur Vermeidung der exemplarisch genannten Veränderungen könnten die Beteiligten eine Vereinbarung über die zielgerichtete Nutzung eines gemeinsamen Rechts schließen und somit aus der Bruchteils- eine Gesamthandgemeinschaft mit eigener Unternehmereigenschaft konstruieren. Bei der gemeinsamen Vermietung von Grundstücken stellt sich die Frage, ob nicht bereits eine entsprechende Rechtsform durch konkludentes Verhalten entstanden ist.

 

Allerdings weisen wir auf die zum Teil abweichenden Schuld- und Haftungsregelungen hin.

 

Die Finanzverwaltung hat die Möglichkeit durch einen Nichtanwendungserlass die bisherige Behandlung der Bruchteilsgemeinschaften als Unternehmer fortzuführen. Für wahrscheinlicher halten wir, dass sie – hoffentlich unter Gewährung einer unternehmerfreundlichen Übergangsfrist – die Rechtsprechung übernimmt.

 

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Wir beraten Sie gern zu diesen und weiteren umsatzsteuerlichen Themen und freuen uns über eine Kontaktaufnahme bzw. Rückmeldung.

 

Ihr Team der

umsatz | steuer | beratung

 

Norderstedt, Februar 2019

Dieser Beitrag ersetzt keine steuerliche Beratung und soll nur allgemein über steuerliche Themen informieren. Wir übernehmen daher keine Gewähr und somit keine Haftung für die Vollständigkeit und Aktualität sowie Richtigkeit der Inhalte.

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