Dienstwagenbesteuerung und Umsatzsteuerbefreiung von Wohnungseigentümergemeinschaften auf dem Prüfstand des EuGH

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) ist immer wieder für Überraschungen gut. Mit zwei jüngeren Urteilen rüttelt das Gericht an zwei langjährigen Konstanten des deutschen Umsatzsteuerrechts. Es bleibt nun abzuwarten wie die deutsche Finanzverwaltung die Erkenntnisse in den Umsatzsteueranwendungserlass übersetzt.

1. Dienstwagenbesteuerung

Bekanntlich unterliegen auch geldwerte Vorteile bzw. Einnahmen, die nicht in Geld bestehen (Sachzuwendungen), der Besteuerung. Dies dient der Vermeidung eines unversteuerten Letztverbrauchs – der Verbraucher soll so gestellt werden, als ob er den Konsum aus versteuertem Einkommen finanziert. Ein weitverbreiterter Anwendungsfall des geldwerten Vorteils ist der Dienstwagen, den der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung überlässt. Für die Berechnung des umsatzsteuerlichen Entgelts lässt die Finanzverwaltung die pauschale Ermittlung anhand der lohnsteuerlichen sog. 1%-Methode zu. 

In dem vorliegenden Fall hatte eine luxemburgische Gesellschaft ihren in Deutschland wohnenden Arbeitnehmern im Rahmen des Arbeitsverhältnisses Dienstwagen zur Verfügung gestellt. Während die Überlassung an Arbeitnehmer A „kostenfrei“ erfolgte, wurde bei Arbeitnehmer B jährlich ein mittlerer vierstelliger Betrag vom Gehalt einbehalten. Dem Arbeitgeber war der Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten bzw. Leasingraten in Luxemburg verwehrt. Für die Überlassung an die Arbeitnehmer musste auch keine Luxemburger Umsatzsteuer abgeführt werden.

Weil die beiden Arbeitnehmer in Deutschland wohnten, erfolgte nach Maßgabe der deutschen Vorschriften bei dem für luxemburgische Unternehmen ohne Niederlassung in Deutschland zuständigen Finanzamt Saarbrücken die Umsatzbesteuerung nach der 1%-Methode. Diese Umsatzsteuer focht der Kläger mit dem Argument an, dass es sich nicht um eine entgeltliche Vermietung eines Beförderungsmittels an die Arbeitnehmer gehandelt habe.

Nun bestätigt der EuGH mit Urteil vom 20. Januar 2021 (Rs. C-288/19, QM), dass die tatsächlich entgeltlich erfolgte PKW-Überlassung an B (Gehaltsumwandlung) als langfristige Vermietungsleistung i.S.d. Art. 56 Abs. 2 MwStSystRL (vgl. § 3a Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 UStG) am Wohnort des Arbeitnehmers der Umsatzsteuer unterliegt. Weil aber die Annahme einer Dienstleistung ein Entgelt voraussetzt, ist die Überlassung an A ein Vorgang, welcher nicht als Vermietung einzuordnen ist. Insbesondere ist die einkommensteuerliche Fiktion (Sachbezug aus der Dienstwagenüberlassung als Einkommenstatbestand) für die Umsatzsteuer nicht maßgeblich.

Der Umsatzsteuer unterliegen zwar neben entgeltlichen auch die unentgeltlichen Leistungen (§ 3 Abs. 9a UStG), so dass die Unterscheidung zwischen tatsächlich entgeltlicher und unentgeltlicher Überlassung grundsätzlich keine materielle Auswirkung hat. Zwei Aspekte sind aber zu beachten:

  • Im Fall der unentgeltlichen Leistung fällt Umsatzsteuer nur dann an, wenn der überlassene Gegenstand zum Vorsteuerabzug berechtigt hat. Hier ist zu berücksichtigen, dass der Vorsteuerabzug bei bestimmten Unternehmen bereits dem Grunde nach ausgeschlossen ist (z.B. Finanz- und anerkannte Bildungsdienstleister, Gesundheitsberufe). Ferner kann z.B. der dem Unternehmen zugeordnete Dienstwagen aufgrund besonderer Umstände (Einlage aus dem Privatvermögen, Kauf von Privat oder vom Gebrauchtwagenhändler im Rahmen der Differenzbesteuerung) ohne Vorsteuerabzugsrecht erworben worden sein.
  • Im Fall der grenzüberschreitenden Sachbezugsgewährung ist zu beachten, dass die langfristige entgeltliche Überlassung eines Beförderungsmittels am Wohnsitz des Arbeitnehmers zu besteuern ist (vgl. § 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG), eine unentgeltliche Leistung hingegen mangels expliziter Regelung im Umsatzsteuergesetz am Sitz des Unternehmens. Aufgrund fehlender Harmonisierung der Sachbezugsbesteuerung innerhalb der EU sind hier Fälle der Nicht- bzw. Doppelbesteuerung möglich.

 

Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf das EuGH-Urteil reagiert und wie dann konkret zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Sachbezügen abzugrenzen ist. Es ist u.E. aber nicht zu befürchten, dass sich in der „Auto-Nation Deutschland“ die (umsatz-)steuerlichen Rahmenbedingungen im Bereich der Dienstwagengestellung verschlechtern.

 

 

2. Steuerbefreiung der Leistungen von Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG)

Gem. § 4 Nr. 13 Umsatzsteuergesetz sind bestimmte Leistungen der Wohnungseigentümergemeinschaften an Wohnungs- und Teileigentümer von der Umsatzsteuer befreit. Die Befreiung betrifft insbesondere die Überlassung des gemeinschaftlichen Eigentums, die Instandhaltung, die sonstige Verwaltung sowie auch die Lieferung von Wärme.

Mit Urteil vom 17. Dezember 2020 (C-449/19) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Befreiung von Wärmelieferungen gegen EU-Recht verstößt. Geklagt hatte eine WEG, die aus einem errichteten Blockheizkraftwerk den Vorsteuerabzug geltend machen wollte. Dies ist wegen § 4 Nr. 13 UStG nicht möglich und der Vorsteuerabzug wurde durch das Finanzamt versagt. Weil aber eine vergleichbare Befreiungsvorschrift im EU-Recht fehlt und ferner die Wärmelieferung auch nicht unter die Befreiung für die „Vermietung von Grundstücken“ fällt, hat der EuGH das Recht auf Vorsteuerabzug bestätigt. Denn bei der Wärmelieferung der WEG an ihre Mitglieder handelt es sich um eine steuerpflichtige Tätigkeit.

Abzuwarten bleibt, wie die deutsche Finanzverwaltung auf das Urteil reagiert. Die Wohnungseigentümergemeinschaften können sich hinsichtlich vergangener Zeiträume sicherlich auf das deutsche Recht berufen. Wenn aber zukünftig WEG-Leistungen steuerpflichtig sind, dann lebt der Vorsteuerabzug nicht nur aus Investitions- sondern auch aus laufenden Kosten auf. Ohne ausreichende Übergangsfrist dürfte eine solche Umstellung kaum zu bewerkstelligen sein.

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Ihr Team der

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Norderstedt, Februar 2021

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