Bürokratieentlastungsgesetz und Jahressteuergesetz 2024 – umsatzsteuerliche Änderungen
Die Parlamentsarbeit lief zuletzt auf Hochtouren und das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) und das Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) sind jüngst verabschiedet worden. Wir geben einen Überblick über die wesentlichen Änderungen im Bereich der Umsatzsteuer.
1. Bürokratieentlastungsgesetz
Mit dem BEG IV verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, den Bürokratieabbau in Deutschland voranzutreiben. Die Umsatzsteuer ist durch nachfolgende Änderungen betroffen:
Die Aufbewahrungsfrist von Rechnungen wird von zehn auf acht Jahre verkürzt (§ 14b Abs. 1 S. 1 UStG). Dies betrifft nicht nur neu ausgestellte Rechnungen, sondern gilt auch für bereits ausgestellte Belege (§ 27 Abs. 40 UStG).
Künftig sind Unternehmer nur noch dann zur monatlichen statt quartalsweiser Abgabe von Voranmeldungen verpflichtet, wenn die Steuer im Vorjahr mehr als 9.000 Euro (bisher 7.500 Euro) betragen hat (§ 18 Abs. 2 S. 2 UStG). Korrespondierend hierzu kann sich der Unternehmer statt der quartalsweisen Abgabe erst ab einem Vorsteuerüberhang von 9.000 Euro (bisher 7.000 Euro) dazu entscheiden, monatliche Voranmeldungen abzugeben.
Wiederverkäufer i. S. d. § 25a UStG dürfen künftig Umsätze mit Gegenständen, deren Einkaufspreis maximal 750 Euro (bisher 500 Euro) beträgt, nach der sog. Gesamtdifferenzmethode versteuern.
2. Jahressteuergesetz 2024
Durch das JStG 2024 ergeben sich zahlreiche umsatzsteuerliche Änderungen, die wichtigsten Anpassungen stellen wir nachfolgend vor:
§ 2b UStG – Verlängerung der Übergangsfrist
Die aktuelle (am 31. Dezember 2024 endende) Übergangsregelung wird um weitere zwei Jahre bis zum 31. Dezember 2026 verlängert. Die Neuregelungen zur Besteuerung der öffentlichen Hand sind somit voraussichtlich erst ab 2027 anzuwenden (§ 27 Abs. 22a UStG).
§ 3 Abs. 4 UStG – Werklieferung
In § 3 Abs. 4 UStG wird basierend auf der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs klargestellt werden, dass eine Werklieferungen nur dann vorliegt, wenn bei der Ausführung ein fremder Gegenstand be- oder verarbeitet wird. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, handelt es sich entweder um eine Warenlieferung oder um eine Dienstleistung. Die Unterscheidung hat insbesondere Auswirkungen auf die Regelungen zur Steuerschuldumkehr bei Beteiligung ausländischer Unternehmen (§ 13b UStG).
§ 3a Abs. 3 UStG – Veranstaltungsleistungen
Veranstaltungsleistungen und Teilnehmerentgelte werden grundsätzlich dort versteuert, wo die Veranstaltung stattfindet. Aufgrund einer EU-Richtlinie kommt ab 1. Januar 2025 sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich das Empfängerortprinzip zur Anwendung, wenn der Teilnehmer nicht physisch präsent ist, sondern virtuell teilnimmt (Live-Streaming). Inländische Veranstalter rechnen zukünftig gegenüber ausländischen virtuellen Teilnehmern also netto ab (B2B-Kunden / Verfahren der Steuerschuldumkehr), bei Leistungen an Nichtunternehmerkunden mit Wohnsitz im EU-Ausland kann die ausländische Steuer im OSS-Verfahren deklariert werden.
§ 4 Nr. 4a UStG – Aufhebung der Umsatzsteuerlagerregelung (ab 1. Januar 2026)
Aus Vereinfachungsgründen werden Umsätze in einem Umsatzsteuerlager nicht besteuert (§ 4 Nr. 4a UStG). Diese Regelung wird wegen fehlender Bedeutung in der Praxis nach einem Übergangsjahr ab 2026 ersatzlos gestrichen.
§ 4 Nr. 21 UStG – Befreiung von Bildungsleistungen
Im Bereich der Bildungsleistungen scheiterte eine tiefgreifende Reform wie auch bereits 2013 und 2019, so dass es nur punktuelle Änderungen in § 4 Nr. 21 UStG gibt:
- Der „Privatlehrer“ findet Einzug ins nationale Recht, so dass sich Betroffene nicht mehr auf das EU-Recht berufen müssen, um hinsichtlich des erteilten Schul- und Hochschulunterrichts befreit zu werden.
- Bildungseinrichtungen müssen weiterhin das Bescheinigungsverfahren durch zuständige Aufsichts- und Landesbehörden durchlaufen. Auch wenn sich der Wortlaut des Gesetzes ändert (bislang war zu bescheinigen, dass die Einrichtung ordnungsgemäß auf eine Prüfung vorbereitet, zukünftig greift die Befreiung, wenn die Einrichtung Leistungen im Bereich „Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung“ erbringt), gehen wir davon aus, dass bestehende Bescheinigungen fortgelten, hierzu wird ein Anwendungsschreiben im ersten Quartal 2025 erwartet.
§ 12 UStG – Ermäßigter Steuersatz für Kunstgegenstände und Sammlungsstücke
Die Lieferung, der innergemeinschaftliche Erwerb und die Einfuhr von Kunstgegenständen und Sammlungsstücken (nicht jedoch deren Vermietung) unterliegen zukünftig „wieder“ dem ermäßigten Steuersatz. Bislang gab es hier Einschränkungen – insbesondere für den Verkauf durch Galerien.
§ 12 UStG – Brennholz
Vor dem Hintergrund der ergangenen Rechtsprechung wird klargestellt, dass Brennholz unabhängig der zolltariflichen Einordnung dem ermäßigten Steuersatz unterliegt, d. h. auch die Form „Holzhackschnitzel“ unterliegt dem ermäßigten Steuersatz.
„§ 14c-Steuer“ auch bei Gutschriften
Gem. § 14c UStG wird auch eine zu Unrecht in Belegen ausgewiesene Umsatzsteuer geschuldet. Vor dem Hintergrund ergangener Rechtsprechung wird gesetzlich klargestellt, dass jeder Empfänger einer Gutschrift künftig die darin unberechtigt ausgewiesene Umsatzsteuer schuldet, solange er der Gutschrift nicht widerspricht.
§ 15 UStG – Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs
Bislang kann aus der Rechnung eines IST-Versteuerers der Vorsteuerabzug bereits bei Erhalt der Leistung geltend gemacht werden, obwohl der IST-Versteuerer die Umsatzsteuer erst bei Erhalt der Zahlung abzuführen hat. Dies widerspricht nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs dem (zeitlichen) Neutralitätsgedanken der Umsatzsteuer. Nach einer Übergangsfrist, die am 31. Dezember 2027 endet, darf die Umsatzsteuer erst nach Bezahlung der Rechnung als Vorsteuerabzug berücksichtigt werden. Damit der Leistungsempfänger dies überhaupt erkennen kann, muss der IST-Versteuerer ab 2028 in seinen Rechnungen angeben, dass er die Steuer nach vereinnahmten Entgelten versteuert.
§ 15 Abs. 4 UStG – Vorsteueraufteilung
In § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG erfolgt eine Klarstellung, dass im Fall einer Vorsteueraufteilung (wegen teilweise vorsteuerschädlicher Ausgangsumsätze) eine Berechnung nach dem Gesamtumsatzschlüssel stets nachrangig ist. Diese Methode kommt nur dann ausnahmsweise in Betracht, wenn es keine andere, präzisere, sachgerechtere Methode zur Vorsteueraufteilung gibt.
§§ 19, 19a UStG – Kleinunternehmer
Die Schwellenwerte zur Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung werden angehoben und starr (bisher: nicht mehr als 22.000 Euro im vorangegangenen Jahr und voraussichtlich nicht mehr als 50.000 Euro im laufenden Jahr, ab 2025 nicht mehr als 25.000 Euro Umsatz im vorangegangenen und nicht mehr als 100.000 Euro im laufenden Jahr).
Darüber hinaus kann die Kleinunternehmerregelung auch für grenzüberschreitende Umsätze angewendet werden (bislang gilt sie nur innerhalb des Ansässigkeitsstaates des Kleinunternehmers). Zur Überwachung der starren Umsatzgrenzen ist eine Erfassung der EU-Umsätze des Kleinunternehmers notwendig – hierfür wird auf Antrag vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) eine sog. Kleinunternehmer-Identifikationsnummer (KU-IdNr.) zugeteilt. Unter dieser KU-IDNr. sind quartalsweise Umsatzmeldungen abzugeben.
Überraschend wird im Rahmen des JStG auch klargestellt, dass Kleinunternehmer nicht zur Ausstellung von E-Rechnung verpflichtet sind (nach dem Wachstumschancengesetz bestand diese Ausnahme noch nicht). Es ist aber zu beachten, dass auch Kleinunternehmer bereits ab 1. Januar 2025 empfangsbereit sein müssen.
3. Bewertung und Ausblick
Das Umsatzsteuergesetz ist kompliziert und das wird auch so bleiben. Die im BEG IV geregelten Maßnahmen mit dem Ziel des Bürokratieabbaus sind tatsächlich überschaubar. Demgegenüber zeigt insbesondere die EU-Kleinunternehmerregelung, wie kompliziert die Verwirklichung des Binnenmarkts ist. Beratungsbedarf sehen wir im Zusammenhang mit den beschlossenen Änderungen insbesondere im Bereich der Bildungsleistungen und virtuellen Veranstaltungen, weil sich mit der Neuregelung alte Abgrenzungsfragen nicht erledigen und neue Hinzukommen.
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Wir beraten Sie in diesen und anderen umsatzsteuerlichen Themen gerne und wünschen Ihnen an dieser Stelle eine frohe Adventszeit.
Norderstedt, November 2024
Dieser Beitrag ersetzt keine steuerliche Beratung und soll nur allgemein über steuerliche Themen informieren. Wir übernehmen daher keine Gewähr und somit keine Haftung für die Vollständigkeit und Aktualität sowie Richtigkeit der Inhalte.
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