Vergütung nach Kündigung eines Werkvertrags – Entgelt oder Schadensersatz?

„Tschüss nichtsteuerbarer Schadensersatz; willkommen Umsatzsteuer!“ – so könnte man die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung beschreiben. Denn mit Urteil vom 28. November 2024 hat der Europäische Gerichtshof einmal mehr die Begriffe des Leistungsaustausches und Entgelts in Abgrenzung zum zivilrechtlichen Schadensersatz weit ausgelegt.

1. Hintergrund

Die Umsatzsteuer knüpft bekanntlich an den Leistungsaustausch an. Ein solcher verlangt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer Leistung und einer Gegenleistung (Entgelt). Wo keine Leistung erbracht wird oder ein Entgelt zu verneinen ist, bleibt grundsätzlich kein Raum für die Umsatzsteuer.

In der Praxis ist in diesem Zusammenhang die Abgrenzung, ob vertragliche oder gesetzliche Entschädigungszahlungen, Vertragsstrafen und ähnliche Leistungen Entgeltcharakter haben oder Schadensersatz darstellen, nicht trivial. Denn während der Begriff des Schadensersatzes durch nationales Zivilrecht geprägt ist, basiert die Umsatzsteuer auf dem insoweit harmonisierten EU-Recht.

 

2. EuGH-Urteil in der Rs. RHTB

Bei der Klägerin (RHTB) handelt es sich um ein österreichisches Bau- und Projektentwicklungsunternehmen. Zur Realisierung eines Immobilienprojekts schloss die Gesellschaft einen Werkvertrag mit einer Immobiliengesellschaft ab. Dieser Werkvertrag wurde kurz nach Baubeginn einseitig und ohne erkennbaren Rechtsgrund durch den Auftraggeber gekündigt.

Die Zivilgerichte sprachen RHTB den noch ausstehenden Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen zu. In den einzelnen Instanzen herrschte Uneinigkeit darüber, ob die Zahlung als umsatzsteuerpflichtiges Entgelt zu qualifizieren ist oder nicht der Umsatzsteuer unterliegender Schadensersatz darstellt. Der Oberste Gerichtshof Österreichs rief zu dieser Frage deshalb den EuGH an.

Der EuGH hat mit Urteil vom 28. November 2024 (C-622/23) Schadensersatz verneint und begründet dies wie folgt:

  • Es bestand ein gültiger Werkvertrag, also ein auf einen Leistungsaustausch gerichtetes Rechtsverhältnis zwischen den Parteien.
  • Zwar hat der Auftragnehmer das Werk nur begonnen und nicht fertiggestellt, jedoch bestand zu jedem Zeitpunkt die Bereitschaft zur Fertigstellung. Dies ist eine Leistung. Der eingeklagte Werklohn stellt eine hiermit im unmittelbaren Zusammenhang stehende Gegenleistung dar.
  • Wäre das Projekt tatsächlich fertiggestellt worden, so hätte der Werklohn ebenso der Umsatzsteuer unterlegen.

 

3. Bewertung

Das Urteil steht zunächst einmal im Widerspruch zur Auffassung der Finanzverwaltung in Deutschland. Denn gem. Abschnitt 1.3. Umsatzsteuer-Anwendungserlass haben sowohl Vertragsstrafen, die wegen Nichterfüllung oder wegen nicht gehöriger Erfüllung geleistet werden, Schadensersatzcharakter, also auch Vergütungen, die der Unternehmer nach Kündigung oder vertraglicher Auflösung eines Werklieferungsvertrags vereinnahmt.

Allerdings fügt sich die Entscheidung in die Rechtsprechungslinie des EuGH ein, den Entgeltbegriff eher weit auszulegen.

So wurde zuletzt festgestellt, dass auch im Fall von Diebstahl (EuGH-Urteil vom 27. April 2023, C-677/21; entgegen Abschnitt 3.1. Abs. 2 UStAE, wonach eine Verschaffung der Verfügungsmacht, den von den Beteiligten endgültig gewollten Übergang von wirtschaftlicher Substanz, Wert und Ertrag eines Gegenstands erfordert) und bei unerlaubter Nutzung von Parkplätzen (EuGH, Urteil vom 20. Januar 2022 – C-90/20) Umsatzsteuer entsteht.

Es gibt aber auf der anderen Seite auch Fallkonstellationen, in denen bei Ausgleichszahlungen Schadensersatz bejaht wird.

So geht der Bundesfinanzhof bei Ausfallhonoraren der Architekten nur insoweit von einem Entgelt aus, als das Ausfallhonorar auf bereits erbrachte Leistungsteile entfällt; im Übrigen soll es sich um Schadensersatz handeln (vgl. BFH-Urteil vom 26. August 2021 – V R 13/19). Ferner hat das BMF jüngst bestätigt (vgl. Schreiben vom 8. Oktober 2024), dass der Kartellschadensersatz (Ausgleichszahlung des Kartells an durch das Kartell Geschädigte) Schadensersatzcharakter hat.

Insoweit bleibt die Abgrenzung zwischen Schadensersatz und Entgelt weiterhin eine komplizierte Angelegenheit. Es ist nicht auszuschließen, dass die profiskalische Sicht des EuGH von der Finanzverwaltung übernommen wird. Die Parteien von Verträgen, in denen auch Vertragsstrafen geregelt werden, sind insoweit gut beraten, eindeutig zu definieren, ob sich diese Strafen inklusive oder zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer verstehen.

 

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Jetzt wünschen wir Ihnen aber ein frohes Weihnachtsfest, geruhsame Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr 2025.

 

Ihr Team der

umsatz | steuer | beratung

 

Norderstedt, Dezember 2024

Dieser Beitrag ersetzt keine steuerliche Beratung und soll nur allgemein über steuerliche Themen informieren. Wir übernehmen daher keine Gewähr und somit keine Haftung für die Vollständigkeit und Aktualität sowie Richtigkeit der Inhalte.

 

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