EuGH bestätigt Geschäftsführerhaftung für Umsatzsteuer

Kapitalgesellschaften haften als eigene Rechtspersönlichkeit grundsätzlich nur mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Bei Fehlern in der Geschäftsführung droht jedoch auch eine Inanspruchnahme der Geschäftsführer, z.B. im Hinblick auf Umsatzsteuerverbindlichkeiten der Gesellschaft. Dies bestätigt einmal mehr ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs.

1. Hintergrund

Als eigenständige juristische Personen schulden Kapitalgesellschaften (z. B. eine GmbH oder eine AG) grundsätzlich die entstandene Umsatzsteuer.

Da die Haftung hierbei auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt ist (vgl. § 13 Abs. 2 GmbHG, § 1 Abs. 1 S. 2 AktG), droht Vertretungsorganen wie Geschäftsführern oder Vorständen im Regelfall kein Rückgriff des Fiskus für Umsatzsteuerverbindlichkeiten der Gesellschaft.

Abweichend können aber Vertretungsorgane im Wege der Haftung durch das Finanzamt in Anspruch genommen werden, wenn sie vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzungen in der Geschäftsführung begehen und die Gesellschaft deshalb Steuern nicht bezahlt hat (§ 69 Abgabenordnung – AO). Vergleichbare Vorschriften gibt es auch im EU-Ausland.

 

2. EuGH-Urteil in der Rs. Herdijk

Der Kläger war mittelbar über eine Holding Geschäftsführer einer niederländischen Betriebskapitalgesellschaft. Diese konnte ihre Umsatzsteuerverbindlichkeiten nicht begleichen.

Gegenüber dem niederländischen Finanzamt versäumte es der Kläger, die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft anzuzeigen.

Diese Nichtanzeige führt nach niederländischem Recht dazu, dass ein Geschäftsführer neben der Gesellschaft ebenfalls für die nicht abgeführte Umsatzsteuer einstehen muss, sofern er nicht sein Unverschulden nachweist. Dies gelang dem Kläger im Streitfall wegen strenger Darlegungsanforderungen hinsichtlich des Unverschuldens nicht.

Der Hoge Raad (Oberster Gerichtshof der Niederlande) rief hierzu den EuGH an, um die Vereinbarkeit des niederländischen Haftungsrechts mit dem EU-Recht prüfen zu lassen.

Mit Urteil vom 14. November 2024 (C-613/23) bejahte der EuGH die Vereinbarkeit der Haftungsnorm mit dem EU-Recht:

  • Nationale Haftungsvorschriften, die es ermöglichen bei Pflichtverstößen auch den Geschäftsführer gesamtschuldnerisch mit der Gesellschaft in Haftung zu nehmen, sind grundsätzlich zulässig und sichern die Erhebung des Umsatzsteueraufkommens.
  • Wie die Staaten die Haftung im Einzelnen regeln, obliegt dem innerstaatlichen Verfahrensrecht, wobei der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren ist.
  • Unverhältnismäßig sind Haftungsvorschriften erst dann, wenn diese eine Haftung vorsehen, welcher sich – unabhängig von Verschulden oder Unverschulden – unter keinen Umständen entzogen werden kann.

 

3. Bewertung

Das Urteil des EuGH ruft noch einmal eindrücklich in Erinnerung, dass selbst bei Kapitalgesellschaften deren Organe nur unter bestimmten Voraussetzungen gegen die Inanspruchnahme im Haftungswege abgeschirmt werden. Grob fahrlässiges Verhalten oder gar vorsätzliche Pflichtverstöße jedenfalls können die Abschirmung aufheben.

Sowohl Geschäftsführer als auch Gesellschafter-Geschäftsführer, die gezielt eine GmbH u.a. deshalb gründen, um ihr Privatvermögen vor den Geschäfts- und Steuerrisiken zu schützen, sollten sich dem potenziellen Haftungsrisiko bei Fehlern in der Geschäftsführung daher immer bewusst sein. Die Vorschrift des § 69 AO steht insoweit offenkundig auch im Einklang mit EU-Recht.

Das Risiko der Inanspruchnahme im Wege der Haftung betont einmal mehr die Notwendigkeit, durch betriebsinterne Prozesse Vorkehrungen zu treffen (Internes Kontrollsystem (IKS) bzw. Tax Compliance Management Systeme (TCMS)).

 

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Ihr Team der

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Norderstedt, Januar 2025

Dieser Beitrag ersetzt keine steuerliche Beratung und soll nur allgemein über steuerliche Themen informieren. Wir übernehmen daher keine Gewähr und somit keine Haftung für die Vollständigkeit und Aktualität sowie Richtigkeit der Inhalte.

 

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