Umsatzsteuerliche Betriebsstätte – Fortentwicklung der Rechtsprechung

Bei grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen hat die umsatzsteuerliche Betriebsstätte maßgeblichen Einfluss auf die Steuerfindung. Eine unerkannte Betriebsstätte kann deshalb mit umsatzsteuerlichen Risiken verbunden sein. Auch wenn der Begriff der umsatzsteuerlichen Betriebsstätte ein sog. „autonomer Begriff des Gemeinschaftsrechts“ ist, wird er von der Rechtsprechung ständig weiterentwickelt, wie auch eine jüngst veröffentlichte Entscheidung des Finanzgerichts Köln zeigt.

1. Begriff der Betriebsstätte im Umsatzsteuerrecht

Gem. Art. 11 der Mehrwertsteuer-Durchführungsverordnung ist die Betriebsstätte eine Einrichtung des Unternehmens, „die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden.“ Gem. Abschnitt 3a.1 (3) UStAE bedarf es für das Vorliegen einer Betriebsstätte eines „ausreichenden Mindestbestands an Personal- und Sachmitteln“, der für die Erbringung von Dienstleistungen erforderlich ist.

Kennzeichnend für eine umsatzsteuerliche Betriebsstätte sind also neben einem gewissen Grad an Beständigkeit eine ausreichende Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln.

 

2. Entscheidung des Finanzgerichts Köln vom 14. März 2017 (Az. 2 K 920/14)

Klägerin war ein im Ausland ansässiges Unternehmen, das in Deutschland Windräder betrieb. In der Annahme, dass insoweit (mangels eigenen Personals) keine Ansässigkeit im Inland besteht und somit das Reverse-Charge-Verfahren anwendbar ist, wurden die Stromlieferungen ohne Umsatzsteuer abgerechnet (§ 13b (5) i.V.m. § 3g UStG). Die eigenen deutschen Vorsteuerbeträge wurden im Vergütungsverfahren geltend gemacht. Der Antrag auf Vorsteuervergütung wurde zum Teil abgelehnt, weil einige der Eingangsleistungen nach Auffassung des Bundeszentralamts für Steuern gegenüber dem im Ausland ansässigen Unternehmen hätten ohne Umsatzsteuer abgerechnet werden müssen (§ 3a Abs. 2 UStG). Hiergegen klagte das Unternehmen.

Das Finanzgericht lehnte die Klage gegen die Teilablehnung der Vorsteuervergütung mit dem Argument ab, dass es sich bei den Windrädern um eine inländische Betriebsstätte handelt. Denn die Anlagen sind ortsfest, haben einen erheblichen Wert und weisen einen höchstmöglichen Grad von Beständigkeit auf. Dass die Klägerin über kein eigenes Personal vor Ort verfügt, steht der Annahme „angesichts der Gesamtumstände“ nicht entgegen.

Das Gericht erkennt in seiner Begründung zwar an, dass auch die personelle Ausstattung eines der wesentlichen Elemente einer Betriebsstätte ist. Dies dürfe aber nicht so gedeutet werden, dass die Kriterien der personellen und der technischen Ausstattung immer im gleichen Maße erfüllt sein müssen. Tatsächlich kann eine gering ausgeprägte oder in Ausnahmefällen sogar fehlende (!) personelle Ausstattung durch eine überdurchschnittlich stark ausgeprägte sachliche Ausstattung kompensiert werden. Diese Feststellung birgt eine gewisse Überraschung, ist doch in den o.g. Quellen immer von Personal- und Sachmitteln die Rede.

 

3. Bedeutung

Für die korrekte Einordnung umsatzsteuerlicher Leistungsbeziehungen hat die Betriebsstätte in dreierlei Hinsicht Bedeutung:

  • Leistungsort: Die Betriebsstätte kann sowohl Leistungserbringer als auch Leistungsempfänger sein, wenn eine Leistung von ihr bzw. an sie erbracht wird (§ 3a Abs. 1, 2 UStG).
  • Steuerschuldner: In der Regel greift das Verfahren der Steuerschuldumkehr (Reverse Charge) in Bezug auf deutsche Umsatzsteuer bei Leistungen von im Ausland ansässigen Unternehmen. Liegt hingegen auf Seiten des Leistenden eine inländische Betriebsstätte vor und ist diese an der Leistungserbringung beteiligt, gilt der ausländische Unternehmer als im Inland ansässig (§ 13b Abs. 7 UStG).
  • Steuerveranlagung: Im Inland nicht ansässige Unternehmen machen deutsche Vorsteuern im Vergütungsverfahren geltend (§ 18 Abs. 9 UStG). Besteht hingegen Ansässigkeit im Inland, kommt das Veranlagungsverfahren beim örtlich zuständigen Finanzamt zur Anwendung.

Die Feststellung einer inländischen Betriebsstätte kann insofern zusätzliche Steuerschulden auslösen. Dies gilt offenbar auch für den vom FG Köln entschiedenen Fall. Zwar macht es keinen großen Unterschied, ob die Vorsteuern im Vergütungs- oder im Veranlagungsverfahren erstattet bzw. abgezogen werden. Allerdings müssen im Fall der inländischen Ansässigkeit gegebenenfalls auch die Ausgangsumsätze versteuert werden. Selbst wenn eine Berichtigung von Ausgangsrechnungen noch möglich ist, bleibt es mindestens beim Zinsschaden (§ 233a AO).

Die Frage, ob es eine Betriebstätte auch ohne eigenes Personal geben kann, hat auch in anderen Wirtschaftsbereichen als dem Energiesektor Bedeutung. Für den Bereich der digitalen Wirtschaft z.B. ist in Anbetracht des Urteils nach wie vor nicht abschließend geklärt, ob auch ein Server eine umsatzsteuerliche Betriebsstätte darstellen kann. Diese Frage muss dringend geklärt werden, wobei es zur Vermeidung der Doppelerfassung von Umsätzen im In- und Ausland zwingend einer einheitlichen Auslegung des Begriffs der Betriebsstätte bedarf.

Sollten Sie Fragen zu diesen und anderen Problemen im Bereich der Umsatzsteuer haben, stehen wir gerne zur Verfügung.

Ihr Team der

umsatz | steuer | beratung

 

Norderstedt, August 2017

Dieser Beitrag ersetzt keine steuerliche Beratung und soll nur allgemein über steuerliche Themen informieren. Wir übernehmen daher keine Gewähr und somit keine Haftung für die Vollständigkeit und Aktualität sowie Richtigkeit der Inhalte.

 

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