Vorsteuerabzug aus Anzahlungsrechnungen auch ohne Leistung!

Ein Unternehmer kann die Umsatzsteuer aus Anzahlungsrechnungen für noch nicht erbrachte Leistungen als Vorsteuer geltend machen. Voraussetzung ist, dass eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt und die Anzahlung geleistet wurde. Der EuGH hat nunmehr bestätigt, dass das Vorsteuerabzugsrecht auch dann erhalten bleibt, wenn die vereinbarte Leistung letztlich nicht erbracht wird.

1. Sachverhalt und Vorverfahren

 

Der Kläger bestellte ein Blockheizkraftwerk und erhielt vom Auftragnehmer Anzahlungsrechnungen, aus denen er mit Begleichung den Vorsteuerabzug geltend machte. Bevor das Blockheizkraftwerk geliefert werden konnte, wurde über das Vermögen des Auftragnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet und mangels Masse eingestellt. In der Folge versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug aus den Anzahlungsrechnungen mit dem Argument, dass seitens des Klägers keine unternehmerische Tätigkeit entfaltet worden sei.

Schon das Finanzgericht München gab der Klage statt und bestätigte das Recht auf Vorsteuerabzug aus den verlorenen Anzahlungsrechnungen. Für die Unternehmereigenschaft sei insoweit die Absicht entscheidend, unternehmerisch tätig zu werden. Dass der Auftragnehmer möglicherweise nie die Absicht hatte zu liefern, ist nicht maßgeblich.

Der Vorsteuerabzug scheitert in diesem Fall auch nicht an § 14c (2) UStG. Demnach wird die für eine nicht erbrachte Leistung abgerechnete Umsatzsteuer geschuldet, ohne dass sie abziehbar ist. Im Fall einer Anzahlungsrechnung vor Leistungserbringung ist nach Auffassung des Gerichts für Zwecke des Vorsteuerabzugs allerdings maßgeblich, dass „die zu erbringende Leistung aus der objektivierten Sicht des Zahlenden nicht unsicher ist und dem Leistungsempfänger das spätere Ausbleiben der Lieferung nicht bekannt war oder er dies hätte wissen müssen.“ Vorliegend lagen keine Erkenntnisse vor, dass der Kläger die Zahlungen nicht in gutem Glauben auf die spätere tatsächliche Lieferung geleistet hatte.

 

2. Revisionsverfahren und Vorabentscheidungsersuchen

 

Die Revision beim Bundesfinanzhof wurde allerdings zugelassen, weil der EuGH im Jahre 2014 (Rs. Firin) den Vorsteuerabzug aus Anzahlungsrechnungen für letztlich nicht ausgeführte Lieferungen versagt hatte. Nach Auffassung des vorlegenden bulgarischen Gerichts hätte in diesem Fall der Besteller aber erkennen müssen, dass der vermeintliche Lieferant für den Handel mit den fraglichen Produkten gar nicht zugelassen war. Darin unterscheidet sich dieser Fall von der nunmehr vorliegenden Entscheidung.

Der BFH stellte dem EuGH unter Bezugnahme auf die Entscheidung in der Rs. Firin deshalb zum einen die Frage, ob der Aspekt der Sicherheit hinsichtlich der bestellten Lieferung „rein objektiv oder aus Sicht des Anzahlenden nach den für ihn erkennbaren Umständen zu bestimmen“ ist. Der EuGH bestätigt, dass der Vorsteuerabzug zu bejahen ist, wenn zum Zeitpunkt der Anzahlung „alle maßgeblichen Elemente der zukünftigen Lieferung als dem Erwerber bekannt angesehen werden konnten und die Lieferung daher sicher erschien.“ Zu versagen wäre der Vorsteuerabzug demgegenüber, „wenn anhand objektiver Umstände erwiesen ist, dass der Besteller zum Zeitpunkt der Leistung der Anzahlung wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass die Bewirkung dieser Lieferung unsicher war.“

Zweitens stellte der BFH die Frage, ob die Berichtigung der Umsatzsteuer (zugunsten des Auftragnehmers) und der Vorsteuer (zulasten des Bestellers) von einer Rückzahlung der geleisteten Anzahlung an den Besteller abhängig ist. Dies wird vom EuGH verneint, wobei das Gericht dem Umstand Rechnung trug, dass vom Auftragnehmer infolge Insolvenz eine Rückzahlung nicht zu erwarten sei und gleichzeitig keine Anhaltspunkte vorlagen, dass der Auftragnehmer in betrügerischer Absicht gehandelt und die auf erhaltene Anzahlungen entfallende Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abgeführt habe. Die Aufrechterhaltung des Vorsteuerabzugs ist in einem solchen Fall Ausdruck des Neutralitätsprinzips, ohne dass es auf die Rückzahlung ankommt.

 

3. Bedeutung und Konsequenzen

 

Verlorene Anzahlungen stellen von vornherein ein Ärgernis und eine Belastung darf, weil der Zahlende keine Leistung vom Empfänger des Geldes erhalten hat. Mit der EuGH-Entscheidung wird der Anspruch auf Vorsteuerabzug trotz Ausfall der Leistung richtigerweise bestätigt. Nur wenn anhand objektiver Umstände erwiesen ist, dass der Besteller im Zeitpunkt der Anzahlung wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass die Bewirkung dieser Lieferung unsicher war, kann der Vorsteuerabzug versagt werden. Abgesehen von offensichtlichen Betrugsmodellen dürften diese Fälle nicht vorkommen, weil ein gewissenhafter Kaufmann keine Anzahlungen leisten wird, wenn er im Zeitpunkt der Zahlung schon mit einer Leistungsstörung auf Seiten des Empfängers rechnen muss. Mit dem EuGH-Urteil verschiebt sich die Beweislast diesbezüglich deutlich zulasten des Finanzamts, was zu begrüßen ist.

Abzuwarten bleibt die abschließende Entscheidung des BFH und gegebenenfalls eine Auslegungshilfe der Finanzverwaltung zur Frage des „hätte wissen müssen“. Unternehmen, denen der Vorsteuerabzug aus verlorenen Anzahlungsrechnungen versagt wurde, sollten aber schon jetzt mit Verweis auf das EuGH-Urteil ihren Anspruch beim Finanzamt (erneut) geltend machen.

 

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Ihr Team der

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Norderstedt, Juni 2018

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