„WUMMS”

Der Koalitionsausschuss hat am 3. Juni 2020 zwei weitere Maßnahmen beschlossen, um die vom Corona-Virus getroffene Konjunktur anzuschieben. Ungeachtet der Frage, ob diese Maßnahmen den gewünschten Effekt erzielen, sorgt insbesondere die Steuersatzanpassung bei den betroffenen Unternehmen und auch bei Steuerberatern für Kopfschütteln und Sorgenfalten.

1. Temporäre Senkung der Umsatz­steuersätze

 

Nachdem im Rahmen des Corona-Steuerhilfegesetzes die für 12 Monate (1. Juli 2020 – 30. Juni 2021) befristete Anwendung des ermäßigten Steuersatzes „für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen, mit Ausnahme der Abgabe von Getränken“ als besondere Maßnahme zugunsten der Gastro-Branche beschlossen worden war, sollen nach den jüngsten Plänen der Koalition die Mehrwertsteuersätze für das 2. Halbjahr 2020 für alle Unternehmen von 19 % auf 16 % bzw. von 7% auf 5 % abgesenkt werden. (Der 5%-Satz gilt dann selbstverständlich auch für das Catering!)

 

Umsatzsteuerlich ist die Sache recht einfach: Die abgesenkten Sätze kommen zur Anwendung, wenn im Fall von Lieferungen die Verfügungsmacht zwischen dem 1. Juli 2020 und dem 31. Dezember 2020 verschafft wird bzw. wenn sonstige Leistungen (sowie auch Teilleistungen) in diesem Zeitraum vollendet werden. Wann die Rechnungen ausgestellt bzw. bezahlt werden, ist irrelevant. Gewisse Schwierigkeiten bereitet freilich die korrekte Abgrenzung von Teilleistungen – diese liegen vor, wenn für bestimmte Teile ein Entgelt gesondert vereinbart ist.

 

  • Teilleistungen sind z.B. zu bejahen bei monatlichen Büromieten, Wartungs- und Beratungspauschalen oder Mitgliedsgebühren (z.B. im Fitnessstudio), sowie bei abzunehmenden Teilarbeiten nach Baufortschritt in der Bauwirtschaft. Liegt das Leistungsdatum solcher Teilleistungen im 2. Halbjahr 2020, kommt der reduzierte Satz auch dann zur Anwendung, wenn sich die gesamte Leistung (z.B. Büroanmietung für 2 Jahre) über diesen Zeitraum hinaus erstreckt.
  • Sind Teilleistungen zu verneinen, dann bestimmt sich der Steuersatz nach dem Datum der Vollendung der Gesamtleistung. Für „Beratungsleistungen im Zeitraum Mai bis Juli 2020“ ist also insgesamt der reduzierte Steuersatz i.H.v. 16 % anzuwenden, gegebenenfalls im Mai und Juni in Abschlagsrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer (19 %) führt im Rahmen der Schluss­rechnung zu einer partiellen Erstattung.

 

Hinsichtlich der Preiswirkung der Umsatzsteuer steht es den Unternehmen grundsätzlich frei, ob sie die geringere Steuerbelastung durch Preissenkungen an (nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte) Kunden weiterreichen oder bei gleichbleibenden Preisen die Marge erhöhen. Unstrittig ist, dass ein Kunde einen geminderten Bruttopreis verlangen kann, wenn die vor Bekanntgabe der Koalitionspläne getroffene Preisvereinbarung „zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer i.H.v. 19 % bzw. 7 %“ lautete. Hier mindert sich der Preis um 3 bzw. 2 Prozentpunkte.

 

Soweit zur umsatzsteuerrechtlichen Seite. Hinsichtlich der operativen Umsetzung stehen die Unternehmen vor einer Mammutaufgabe in den verbleibenden 3 Wochen. Denn ERP-Systeme müssen umgestellt und das Rechnungslayout angepasst werden. Zur Vermeidung der sog. 14c-Steuer (überhöhter Ausweis) ist eine Anpassung bzw. Ergänzung auch bei Verträgen, die als Dauerrechnung gelten (z.B. Gebäudemietverträge), notwendig. In An­betracht von Homeoffice und Kurzarbeit sowie anstehender Urlaubssaison ist das eigentlich nicht zu schaffen. Insofern bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung eine Nichtbeanstandungsregelung in der Form erlässt, dass es zumindest für Zwecke des Vorsteuerabzugs nicht beanstandet wird, wenn in der Rechnung irrtümlich oder bewusst (zwischen Unternehmern) der zu hohe Steuersatz (19 % statt 16 % bzw. 7 % statt 5 %) ausgewiesen ist (vgl. hierzu auch das BMF-Schreiben vom 21. Januar 2020 betreffend die Absenkung des Steuersatzes für den Bahnfernverkehr von 19 % auf 7 % mit Wirkung zum 1. Januar 2020). Denkbar wäre natürlich auch eine Verschiebung der Maßnahme, z.B. auf den 1. August 2020.

 

2. Verschiebung der Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer

 

Die zweite Maßnahme zielt auf die Stärkung der Liquidität der Unternehmen ab, indem die Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer vom 16. auf den 26. des Folgemonats verschoben wird. Da die Einfuhrumsatzsteuer grundsätzlich im Zeitpunkt der Einfuhr (d.h.  bei Überlassung der Ware zum freien Verkehr im Inland) entsteht, profitieren nur jene Unternehmen von der Maßnahme, die ein Aufschubkonto entweder selbst oder über den beauftragten Spediteur nutzen.

 

Die Maßnahme ist nach dem Wortlaut des Eckpunktepapiers zeitlich nicht befristet. Sie ist im Übrigen durchweg zu begrüßen, zumal in vielen anderen EU-Ländern liquiditätsschonende Maßnahmen zur Verrechnung der Einfuhrumsatzsteuer schon seit Jahren bestehen.

 

Wir verfolgen wie Sie die weitere Entwicklung mit Spannung und beraten Sie gerne zu den Koalitionsvorschlägen. In Anbetracht der politischen Einigkeit gehen wir davon aus, dass die Pläne den Bundesrat und Bundestag passieren werden. Insofern sollte keine Zeit verloren werden, die notwendigen Anpassungen vorzubereiten.

 

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Wir beraten Sie gern zu diesen und weiteren umsatzsteuerlichen Themen und freuen uns über eine Kontaktaufnahme bzw. Rückmeldung.

 

Ihr Team der

umsatz | steuer | beratung

 

Norderstedt, Juni 2020

Dieser Beitrag ersetzt keine steuerliche Beratung und soll nur allgemein über steuerliche Themen informieren. Wir übernehmen daher keine Gewähr und somit keine Haftung für die Vollständigkeit und Aktualität sowie Richtigkeit der Inhalte.

 

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