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Innenumsätze von Organschaften bleiben nicht steuerbar
Der Bundesfinanzhof hatte die nationalen Regelungen zur Organschaft und insbesondere die Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen auf den Prüfstand gestellt und Vorabentscheidungsersuchen an den Europäische Gerichtshof gerichtet. Dieser stellt nun klar, dass Innenumsätze innerhalb eines Organkreises nichtsteuerbar bleiben.
1. Hintergrund
Ist eine Gesellschaft finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich in ein anderes Unternehmen (Organträger) eingegliedert, so liegt eine umsatzsteuerliche Organschaft vor (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG)).
In der Folge übernimmt der Organträger als Steuerpflichtiger die Umsatzsteuermeldung für den gesamten Organkreis (d.h. für sich selbst und alle Organgesellschaften), dessen Ein- und Ausgangsumsätze beim Organträger konsolidiert werden.
Dieses nationale Verständnis der Organschaft ist nach zwei Vorlagen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) auch als unionskonform bestätigt worden (Urteile vom 1. Dezember 2022 – C-269/20 und C-141/20, siehe hierzu auch unser MR 12/2022).
In einer weiteren Anschlussvorlage des BFH vom 26. Januar 2023 (V R 20/22) war zu klären, ob Innenumsätze innerhalb des Organkreises zwingend nichtsteuerbar sind oder entgegen der nationalen Regelung doch der Umsatzbesteuerung unterliegen könnten.
Jüngst hat der EuGH dann sein – mit Hinblick auf die ungewisse Zukunft der umsatzsteuerlichen Organschaft bereits mit Spannung erwartetes – Urteil am 11. Juli 2024 gefällt (C-184/23).
2. Sachverhalt und Entscheidung
Eine Stiftung öffentlichen Rechts war Organträgerin und erzielte einerseits nichtsteuerbare Umsätze aus dem Universitätsbetrieb (hoheitliche Tätigkeit, nichtunternehmerischer Bereich) und andererseits steuerbare und zum Teil auch steuerpflichtige Umsätze aus dem Betrieb eines Universitätsklinikums (unternehmerischer Bereich).
Die Stiftung bezog als Organträgerin von einer GmbH (unstreitig Organgesellschaft) Reinigungsleistungen, die sowohl den nichtunternehmerischen als auch den unternehmerischen Bereich betrafen.
Zu entscheiden war vom EuGH anlässlich der BFH-Vorlagen, ob die Reinigungsleistungen der GmbH für den nichtunternehmerischen Bereich der Stiftung als Innenumsätze innerhalb des Organkreises nun steuerbar sind oder nicht.
Nachdem bereits der Generalanwalt beim EuGH in seinen Schlussanträgen für eine Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen innerhalb des Organkreises plädierte, bestätigt der EuGH diese Sichtweise erfrischend knapp und deutlich:
Innenumsätze innerhalb eines Organkreises sind – unabhängig davon, ob ein Mitglied des Organkreises ggf. Vorsteuerabzugsbeschränkungen unterliegt – nichtsteuerbar!
Der EuGH stellte in dem Zusammenhang zunächst klar, dass sich – anders als vom BFH interpretiert –aus dem EuGH-Urteil vom 1. Dezember 2022 (C-141/20) keine Aussagen zu einer Steuerbarkeit von Innenumsätzen innerhalb eines Organkreises entnehmen ließen.
Aus der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie und der ständigen Rechtsprechung des EuGH ergebe sich indes, dass alle Mitglieder eines Organkreises (Mehrwertsteuergruppe) als ein gemeinsamer Steuerpflichtiger zu behandeln sind. Konsequenterweise scheidet für den EuGH auch eine Steuerbarkeit von Innenumsätzen zwischen den einzelnen Mitgliedern des Organkreises aus.
Der EuGH verwies ergänzend noch auf die Leitlinien des europäischen Mehrwertsteuerausschusses und einer Mitteilung des EU-Kommission, welche ebenfalls einstimmig von der Nichtsteuerbarkeit der Innenumsätze eines Organkreises ausgehen.
3. Bewertung und Ausblick
Die Diskussion um die Organschaft im deutschen Umsatzsteuerrecht und besonders die Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen des Organkreises findet durch das EuGH-Urteil ein glückliches Ende.
Insbesondere bei Unternehmensgruppen mit steuerfreien Umsätzen (z. B. Banken, Versicherungen, Sozial- und Gemeinwohleinrichtungen), die häufig auf Organschaften zurückgreifen, wird das Urteil für große Erleichterung sorgen. Denn eine Steuerbarkeit von Innenumsätzen hätte zu Kostensteigerungen im Zuge der Umsatzsteuerbelastung geführt. Dieses Risiko ist durch das EuGH-Urteil beseitigt.
Weiterhin problematisch bleibt jedoch, dass nicht selten bei der Finanzverwaltung und den Unternehmen Unsicherheit darüber besteht, ob alle Eingliederungsmerkmale tatsächlich erfüllt sind und eine Organschaft vorliegt. Besonders die wirtschaftliche Eingliederung ist dabei oft ein Zankapfel.
Da eine Organschaft und deren Rechtsfolgen bei Erfüllung der Eingliederungsmerkmal kraft Gesetzes eintreten, wird das Bestehen (oder auch der Wegfall) der Organschaft in der Praxis häufig übersehen und erst nachträglich erkannt.
Abhilfe könnte geschaffen werden, wenn der Gesetzgeber ein Antragsverfahren zur Organschaft einführen würde (wie etwa in vielen anderen EU-Ländern üblich).
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Wir beraten Sie in diesen und anderen umsatzsteuerlichen Themen selbstverständlich gerne und halten Sie weiterhin auf dem Laufenden.
Norderstedt, August 2024
Dieser Beitrag ersetzt keine steuerliche Beratung und soll nur allgemein über steuerliche Themen informieren. Wir übernehmen daher keine Gewähr und somit keine Haftung für die Vollständigkeit und Aktualität sowie Richtigkeit der Inhalte.
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