Grenzüberschreitende Warenlieferungen und trotzdem keine Umsatzsteuerbefreiung!? – Tax-Compliance-Management-Systeme werden existentiell!

Grenzüberschreitende Warenlieferungen ins EU-Ausland oder Drittland sind grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit. Nach dem „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ (JStG 2019) soll jedoch bei innergemeinschaftlichen Warenlieferungen die Befreiung versagt werden, wenn der Lieferant wusste oder hätte wissen müssen, dass in der Lieferkette Umsatzsteuer hinterzogen wurde. Das Finanzgericht Köln kommt bereits unter der aktuellen Rechtslage im Hinblick auf die Steuerbefreiung für Exporte zum gleichen Ergebnis.

1. Bisherige Entwicklungen

Grenzüberschreitende Warenlieferungen sind, wenn entsprechende Nachweise und Dokumentationen geführt werden, als innergemeinschaftliche Lieferungen bzw. Exporte von der Umsatzsteuer befreit. Hiermit wird dem Bestimmungslandprinzip Rechnung getragen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit seiner Entscheidung zu sogenannten Karussellgeschäften aus dem Jahr 2014 (Italmoda C-131/13) einem niederländischen Handelsunternehmen die Umsatzsteuerbefreiung versagt, da der Lieferant zumindest hätte wissen müssen, dass sein Abnehmer die Warenlieferungen in Italien nicht der Umsatzbesteuerung unterwerfen würde. Aber es kam noch schlimmer für den Unternehmer, denn auch der Vorsteuerabzug aus Einkäufen wurde ihm nicht gewährt. Nach Auffassung des EuGH ist der Vorsteuerabzug oder die Befreiung von der Umsatzsteuer zu versagen, sofern anhand objektiver Umstände nachgewiesen ist, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt ist.

 

2. Geplante Verschärfung durch den Gesetzgeber

Der Gesetzgeber beabsichtigt mit dem JStG 2019 in der Fassung des Regierungsentwurfs vom
31. Juli 2019, das Umsatzsteuergesetz (UStG) um einen § 25 f UStG zu ergänzen und die Rechtsprechung des EuGH umzusetzen.

Sofern demnach der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass innerhalb seiner Lieferkette Umsatzsteuerbeträge hinterzogen wurden, treten folgende Rechtsfolgen ein:

  • Die Umsatzsteuerbefreiung für eine EU-Lieferung wird nicht gewährt.
  • Der Vorsteuerabzug aus Einkäufen wird versagt; dies gilt auch für Steuerbeträge, die der Lieferant aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb bzw. aus dem Verfahren der Steuerschuldumkehr selbst schuldet.
  • Die Erleichterungen des Dreiecksgeschäfts greifen nicht.

In der Gesetzesbegründung wird darauf hingewiesen, dass die Unternehmen die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung tragen. Dies setzt entsprechende Kontrollinstrumente im Unternehmen im Sinne eines Tax-Compliance-Management-Systems (Tax-CMS) voraus.

 

3. Gleiche Regelung für Exporte?

In einem aktuellen Urteil vom 19. Februar 2019 wendet das Finanzgericht Köln die Rechtsprechung des EuGH auch auf Ausfuhren ins Drittland an. In dem zugrunde liegenden Fall hat ein deutscher Automobilhändler zwei Rechnungen für Warenlieferungen in die Türkei erstellt; zum einen eine Handelsrechnung, die auch bezahlt wurde und zum anderen eine Rechnung für Zollzwecke, die nur einen Bruchteil des tatsächlichen Preises auswies. Ziel dieser Vorgehensweise war offenbar, Einfuhrabgaben in der Türkei zu reduzieren. Das Finanzgericht Köln kommt zu dem Ergebnis, dass der Lieferant nicht nur von der Umsatzsteuerhinterziehung in der Türkei wusste, sondern dabei sogar mitwirkte. Damit habe er seinen Anspruch auf die Umsatzsteuerbefreiung für Exporte in Deutschland verwirkt.

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz kommt mit Urteil vom 28. Mai 2019 hingegen zu dem Ergebnis, dass die Rechtsprechung des EuGH auf Ausfuhren nicht anwendbar ist. Die Finanzverwaltung soll nach einem internen Schreiben die Auffassung des Finanzgerichts Köln bestätigen.

Beide Finanzgerichte haben die Revision beim Bundesfinanzhof zugelassen. Insofern bleibt abzuwarten, wie der Bundesfinanzhof entscheidet. Möglicherweise wird er die Frage sogar dem EuGH vorlegen (müssen).

 

4. Zusammenfassung und Empfehlung

Die Rechtsprechung und die daraus abgeleitete Absicht des Gesetzgebers, den Vorsteuerabzug und die Steuerbefreiung bei grenzüberschreitenden Warenlieferungen zu versagen, können für die betroffenen Unternehmen existenzbedrohend sein.

Es reicht nach unserer Einschätzung nicht mehr aus, mittels Ausfuhrnachweis und Gelangensbestätigung nachzuweisen, dass die Waren das Inland verlassen haben. Erforderlich sind zusätzliche Kontrollmechanismen, die dem Erkennen von Steuermissbrauch dienen. Hierzu gehört neben einer gewissenhaften Überprüfung der Geschäftspartner gegebenenfalls auch eine Prüfung, ob vereinbarte Preise bzw. in Rechnung gestellte marktüblich sind.

Gerne stehen wir Ihnen bei der Implementierung und Dokumentation Ihrer Kontrollsysteme zur Verfügung.

 

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Wir beraten Sie gern zu diesen und weiteren umsatzsteuerlichen Themen und freuen uns über eine Kontaktaufnahme bzw. Rückmeldung.

 

Ihr Team der

umsatz | steuer | beratung

 

Norderstedt, September 2019

Dieser Beitrag ersetzt keine steuerliche Beratung und soll nur allgemein über steuerliche Themen informieren. Wir übernehmen daher keine Gewähr und somit keine Haftung für die Vollständigkeit und Aktualität sowie Richtigkeit der Inhalte.

 

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