Verrechnungspreise und Umsatzsteuer

Aktuell diskutieren Steuerexperten intensiv über ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, welches sich mit den umsatzsteuerlichen Auswirkungen von Ausgleichszahlungen aufgrund von Verrechnungspreisvereinbarungen beschäftigt. Auch wir versuchen uns an einer ersten Einordnung und dürfen im Ergebnis empfehlen, aktuell nicht in Aktionismus zu verfallen.

1. Hintergrund

Bei Umsätzen zwischen verbundenen Unternehmen ist darauf zu achten, dass die für erbrachte Lieferungen bzw. Leistungen berechneten Preise fremdüblich bzw. marktkonform sind. So kann dokumentiert werden, dass durch Preisgestaltungen keine grenzüberschreitende Gewinnverlagerung bzw. unzulässige Steuervermeidung betrieben wird.

Basierend auf den tatsächlich angefallenen Kosten bzw. realisierten Erlösen bzw. Gewinnen ist es aufgrund des Fremdvergleichsgrundsatzes mitunter notwendig, zum Ende eines Geschäftsjahres Ausgleichszahlungen vorzunehmen. In diesem Zusammenhang bestehen Unsicherheiten, wie diese Ausgleichszahlungen umsatzsteuerlich zu behandeln sind – denkbar ist ein Vorgang außerhalb der Umsatzsteuer (weil es sich um eine Gewinnabschöpfung oder um einen Kostenausgleich ohne umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch handelt) oder eine Behandlung als zusätzliches Entgelt bzw. als Entgeltminderung für die der Ausgleichszahlung zugrunde liegende Lieferung bzw. sonstige Leistung zwischen Konzerngesellschaften.

 

2. Entscheidung des EuGH

Die Firma Arcomet mit Hauptsitz in Belgien vermietet über Landesgesellschaften Kräne an andere Unternehmen. Die Muttergesellschaft erbringt in diesem Zusammenhang diverse konzerninterne Dienstleistungen (u.a. Geschäftsplanung, Verhandlungen mit Lieferanten, Qualitäts- und Sicherheitsmanagement) an ihre Töchter.

Basierend auf einer Verrechnungspreisstudie und entsprechender vertraglicher Vereinbarungen sollte die Landesgesellschaft Rumänien eine Betriebsergebnismarge zwischen -0,71% und 2,74% erzielen. Bei einem höheren Verlust sollte Rumänien eine Rechnung an Belgien, bei einem höheren Gewinn Belgien eine Rechnung an Rumänien stellen.

In den Streitjahren erzielte die Tochtergesellschaft einen höheren Gewinn, d. h. die Muttergesellschaft aus Belgien stellte über den Differenzbetrag eine Rechnung aus. In Rumänien wurde die Rechnung im Wege der umgekehrten Steuerschuldnerschaft (Reverse-Charge) erfasst und Vorsteuer in gleicher Höhe geltend gemacht.

Das rumänische Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug mit der Begründung, dass die Tochtergesellschaft insoweit keine Leistungen bezogen hatte, die im Zusammenhang mit eigenen Umsätzen stünden.

Der Europäische Gerichtshof kam mit Urteil vom 4. September 2025 (C-726/23) zu der Einschätzung, dass der Ausgleichszahlung eine sonstige Leistung zugrunde liegt. Ein Recht auf Vorsteuerabzug ist gegeben, wenn der Leistungsempfänger (die rumänische Tochtergesellschaft) nachweisen kann, dass die Leistungen tatsächlich erbracht worden und auf ihrer Ebene betrieblich veranlasst und für eigene Tätigkeiten verwendet worden waren. Entgegen der Auffassung des rumänischen Finanzamts muss aber nicht nachgewiesen werden, dass die Eingangsleistungen „erforderlich“ bzw. „zweckmäßig“ für die eigene Geschäftstätigkeit sind.

 

3. Bewertung und Schlussfolgerungen

Die Feststellung des Gerichts, wonach die Berechnung der Ausgleichszahlung das Entgelt für die von der Muttergesellschaft (tatsächlich) erbrachten Dienstleistungen darstellt, ist nicht zu bemängeln.

Die interessanten Fragen wurden allerdings in dem Verfahren nicht gestellt bzw. waren vom EuGH auch nicht zu beantworten:

  • Wie wäre abzurechnen gewesen, wenn die rumänische Gesellschaft einen Verlust gemacht und deshalb einen Ausgleichsanspruch gegenüber der Muttergesellschaft hätte? Da die Tochtergesellschaft keine vertraglich vereinbarten Leistungen an die Mutter zu erbringen hatte, wäre ein Leistungsentgelt nur schwerlich zu rechtfertigen. Es handelte sich dann wohl eher um eine Entgeltminderung für die Leistungen der Muttergesellschaft.
  • Weil es sich um einen Sachverhalt in der EU handelte, musste sich der EUGH nicht mit der Frage beschäftigen, welche Auswirkungen solche Ausgleichszahlungen auf den Zoll haben. Hier ist aktuell ein Verfahren beim Bundesfinanzhof anhängig.

Wie immer, hat das Gericht einen Einzelfall entschieden, ohne dass das Ergebnis allgemeine Wirkungen für (mehr oder weniger vergleichbare Fälle) entfalten kann. Im Übrigen ist festzustellen, dass die vom rumänischen Finanzamt vertretene Auffassung, die Steuer zu vereinnahmen, aber nicht zum Vorsteuerabzug zuzulassen, in Deutschland nicht denkbar gewesen wäre. Denn § 13b UStG regelt die gesetzliche Entstehung der Steuer für im Ausland erworbene Leistungen, die ohne weitere Voraussetzung nach den allgemeinen Grundsätzen auch als Vorsteuer geltend gemacht werden kann – wenn eine Leistung verneint würde, gäbe es auch keine Steuerschuld und die Frage nach dem Vorsteuerabzug würde sich nicht stellen.

Lediglich für den Fall, dass der Leistungsempfänger aufgrund allgemeiner Beschränkungen keinen vollen Vorsteuerabzug wahrnehmen kann (z.B. betrifft das Unternehmen mit Ausschlussumsätzen, u.a. also Finanzdienstleister), hat die Einordnung der Ausgleichszahlung als Dienstleistungsentgelt negative Auswirkungen im Vergleich zu einer Behandlung als nicht der Umsatzsteuer unterliegende Gewinnabschöpfung. Betroffene Unternehmen sollten insofern prüfen, ob sich infolge des Urteils Handlungsbedarf ergibt.

Wünschenswert wäre es nun, wenn die Finanzverwaltung das Urteil zum Anlass nimmt, verbindliche Regelungen zur Behandlung von verrechnungspreisbedingten Ausgleichszahlungen zu formulieren. Dies kann freilich nur dann befriedigend gelingen, wenn sich die EU-Mitgliedstaaten diesbezüglich einig sind.

 

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Ihr Team der

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Norderstedt, September 2025

Dieser Beitrag ersetzt keine steuerliche Beratung und soll nur allgemein über steuerliche Themen informieren. Wir übernehmen daher keine Gewähr und somit keine Haftung für die Vollständigkeit und Aktualität sowie Richtigkeit der Inhalte.

 

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