Aktuelles zur Unternehmereigenschaft von Aufsichtsräten – die Finanzverwaltung ist gefragt

Eine der grundlegenden Voraussetzungen zur Anwendung der Umsatzsteuer ist das Vorliegen einer selbstständigen unternehmerischen Tätigkeit. Dies erfordert insbesondere ein Handeln auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung. Ob Aufsichtsräte unternehmerisch tätig sind, beschäftigte jüngst das Finanzgericht Köln und den Europäischen Gerichtshof und ruft im Nachgang dazu die Finanzverwaltung auf den Plan.

1. Hintergrund

Ob und unter welchen Voraussetzungen Aufsichtsräte umsatzsteuerlich Unternehmer sind, ist umstritten.

Die Finanzverwaltung vertritt dazu die Auffassung, dass Aufsichtsräte grundsätzlich bereits ab einem variablen Vergütungsanteil von mindestens 10 % der Gesamtvergütung als selbstständig und unternehmerisch tätig gelten. Zu den variablen Vergütungsanteilen gehören dabei insbesondere Sitzungsgelder (vgl. Abschnitt 2.2. Abs. 3a Umsatzsteuer-Anwendungserlass).

Die Verwaltungsauffassung erfuhr wegen ihrer wenig differenzierten Betrachtungsweise und der niedrigen 10%-Vergütungsgrenze in der Vergangenheit deutliche Kritik.

 

2. Urteil des FG Köln

In dem vom Finanzgericht Köln mit Urteil vom 15. November 2023 (9 K 1068/22) entschiedenen Fall war der Kläger Aufsichtsratsvorsitzender mehrerer Aktiengesellschaften. Er erhielt Sitzungsgelder, die mehr als 10 % der Gesamtvergütung ausmachten.
Das Finanzamt vertrat unter Verweis auf die Verwaltungsmeinung die Auffassung, dass der Kläger selbstständig und unternehmerisch tätig gewesen sei und insofern Umsatzsteuer schulde. Demgegenüber war der Kläger der Auffassung, dass seine Aufsichtsratstätigkeit nicht unternehmerisch ausgeübt worden ist.

Das Finanzgericht Köln pflichtete dem Kläger bei und stellte fest, dass eine sitzungsabhängige Vergütung per se noch kein wirtschaftliches Risiko begründen kann. Daran änderte auch der Umstand des Aufsichtsratsvorsitzes nichts, da die Einberufung von Sitzungen und deren Anzahl weder gesetzlich noch satzungsmäßig zur beliebigen Disposition des Klägers stand.

Darüber hinaus führte das FG Köln aus, dass der Kläger als Mitglied eines gesetzlichen Organs der Aktiengesellschaft bereits nur im Namen des Organs tätig wird. Ein Tätigwerden im eigenen Namen und in eigener Verantwortung scheidet nach Auffassung der Richter dabei aus.

 

3. Urteil des EuGH

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 21. Dezember 2023 (C-288/22, Rs. TP) befasste sich damit, ob ein Verwaltungsratsmitglied mehrerer luxemburgischer Aktiengesellschaften unternehmerisch tätig geworden ist.

Die Vergütungen des Verwaltungsrats waren auf dessen Vorschlag durch die Aktionärsversammlung festzulegen und konnten sowohl Festvergütungen als auch vom Unternehmenserfolg abhängige Tantiemen umfassen. Persönlich haften mussten Verwaltungsratsmitglieder für ihre Entscheidungen indes nicht.

Die luxemburgischen Steuerbehörden stuften die Tätigkeit als unternehmerisch ein, der Kläger hingegen als nicht-unternehmerisch.

Der EuGH stellte sich auf die Seite des Klägers und verneinte eine Unternehmereigenschaft, da kein wirtschaftliches Risiko für den Kläger bestanden hätte. Zwar beriet der Kläger die Aktiengesellschaften und nahm an Abstimmungen im Verwaltungsrat teil, jedoch haftete der Kläger nicht für von der Gesellschaft eingegangene Verpflichtungen.

Hinsichtlich der erfolgsabhängigen Tantiemen vermochte der EuGH ebenfalls kein wirtschaftliches Risiko zu erkennen, weil kein konkretes Gewinn- und Verlustrisiko des Klägers bestanden hat. Die Tantieme hätten im schlimmsten Fall 0,- Euro betragen können, so dass der Kläger (ähnlich einem Aktionär) nur an einem fremden wirtschaftlichen Risiko partizipierte.

Da Verwaltungsratsmitglieder im Kern mit Aufsichtsratsmitgliedern vergleichbar sind, dürfte das Urteil des EuGH übertragbar sein.

 

4. Bewertung und Ausblick

Die jüngste Rechtsprechung ist dem Grunde nach zu begrüßen, weil sie Abgrenzung einer unternehmerischen von einer nicht unternehmerischen Tätigkeit von Aufsichtsräten weiter konkretisiert.

Ob die Rechtsprechung vorteilhaft ist, hängt vom Einzelfall ab. Einerseits gewinnt der Aufsichtsrat im Fall der unternehmerischen Tätigkeit das Recht auf Vorsteuerabzug, andererseits wird die vom Aufsichtsrat geschuldete Umsatzsteuer für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmen zum Kostenfaktor.

Die Finanzverwaltung wird nicht umhinkommen, den Anwendungserlass in Abschnitt 2.2 (3a) erneut anzupassen. Eine Abstellung auf die 10%-Grenze zur Annahme eines wirtschaftlichen Risikos dürfte kaum mehr haltbar sein. Betroffene Unternehmen und Aufsichtsräte sollten die Vergütungsmodelle schon heute überprüfen.

 

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Ihr Team der

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Norderstedt, Februar 2024

Dieser Beitrag ersetzt keine steuerliche Beratung und soll nur allgemein über steuerliche Themen informieren. Wir übernehmen daher keine Gewähr und somit keine Haftung für die Vollständigkeit und Aktualität sowie Richtigkeit der Inhalte.

 

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