Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers – Reverse charge – auch ohne Umsatzsteuer-ID-Nummer?
Welche Anforderungen sind in Reverse-Charge-Fällen für den Leistenden an den Nachweis der Unternehmereigenschaft eines Leistungsempfängers im Sinne des § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG zu stellen? Der Bundesfinanzhof (BFH) kam zu einem für Steuerpflichtige erfreulichen Ergebnis.
1. Hintergrund
Gemäß § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG ist im Regelfall der leistende Unternehmer Schuldner der Umsatzsteuer. Abweichend davon definiert § 13b Abs. 5 UStG jedoch, dass in bestimmten Fällen die Steuerschuldnerschaft vom Leistenden auf den Leistungsempfänger übergeht, wenn letzterer ein Unternehmer ist (sog. Reverse-Charge-Verfahren).
Zu den typischen Anwendungsfällen dieses Reverse-Charge-Verfahrens gehören dabei insbesondere sonstige Leistungen eines im EU-Ausland ansässigen Unternehmers mit Ortsbestimmung nach § 3a Abs. 2 UStG (sog. Empfängerortprinzip).
Im Zusammenhang mit der Anwendung der Steuerschuldumkehr stellt sich die Frage, wie der Leistungserbringer nachweisen kann, dass es sich beim Leistungsempfänger um einen Unternehmer im Sinne der Umsatzsteuer handelt.
2. BFH-Urteil vom 31. Januar 2024
Im vom BFH entschiedenen Sachverhalt betrieb die im EU-Ausland ansässige Klägerin einen Online-Marktplatzes, auf dem sowohl Unternehmer als auch Nichtunternehmer Gegenstände verkaufen konnten.
Die Leistungen der Klägerin bestanden in der Zurverfügungstellung der Plattform, wobei die Verkäufer bei der Anmeldung angeben mussten, ob sie privat oder als Händler (gewerblich/unternehmerisch) tätig werden. An Privatkunden wurde deutsche Umsatzsteuer berechnet, gegenüber Unternehmerkunden wendete die Klägerin das Reverse-Charge-Verfahren an und berechnete das Entgelt an die im Inland ansässigen Unternehmerkunden netto.
Das deutsche Finanzamt verweigerte in den Fällen, in denen die Klägerin keine gültigen USt-ID-Nummern vorlegte, die Anwendung des § 13b UStG und setzte dementsprechend Umsatzsteuer fest. Hiergegen wurde Klage erhoben.
Der BFH stellte in seinem Urteil vom 31. Januar 2024 (V R 20/21) heraus, dass es auf die Verwendung einer USt-IDNr. durch den Leistungsempfänger für die Beurteilung, ob dieser Unternehmer ist und damit die Steuerschuldnerschaft gemäß § 13b Abs. 5 S. 1 UStG auf ihn übergeht, nicht ankommt.
Solange der Leistungsempfänger selbst hinreichend identifizierbar ist, kann der Leistende dessen Unternehmereigenschaft grundsätzlich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Beweismitteln belegen. Eine bestimmte Form der Nachweisführung gibt das Gesetz dabei ausdrücklich nicht vor.
Weil die Klägerin plausible alternative Nachweise vorbringen konnte (die Unternehmereigenschaft wurde angenommen, wenn die Anzahl der Verkäufe bzw. die umsatzabhängigen Verkaufsgebühren bestimmte Schwellenwerte überschritten, die auf eine unternehmerische Tätigkeit schließen ließen), sah der BFH den Nachweis der Unternehmereigenschaft dem Grunde nach als erbracht an. Weil allerdings das Finanzgericht die vom Kläger beigebrachten ergänzenden Unterlagen weder insgesamt noch stichprobenartig überprüft hat und dadurch die gerichtliche Sachaufklärungspflicht verletzt worden ist, wurde die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen.
3. Bewertung und Ausblick
Die Entscheidung des BFH ist zu begrüßen. Der BFH erteilt nämlich der restriktiven Prüfungspraxis der Finanzverwaltung eine Absage, hinsichtlich der Unternehmereigenschaft in Reverse-Charge-Fällen ausschließlich auf die Verwendung einer USt-IDNr. abzustellen.
Die Nacherhebung von Umsatzsteuer beim Leistenden mit der bloßen Begründung, dass der Leistungsempfänger nur mangels Verwendung einer USt-IDNr. kein Unternehmer gewesen sei, ist nunmehr ausgeschlossen, wenn sich die Unternehmereigenschaft anderweitig nachweisen lässt.
Der Bundesfinanzhof bewegt sich mit dieser Entscheidung im Rahmen des Gesetzes. Anders als bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, bei denen die gültige USt-ID-Nummer des Empfängers materielle Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, regelt das Gesetz die Nachweisführung der Unternehmereigenschaft bei sonstigen Leistungen nicht.
Ungeachtet des positiven Urteils empfehlen wir aber weiterhin, an der USt-ID-Nummer als vorrangiges Nachweiskriterium festzuhalten und auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen. Alternative Nachweise sollten nur im Ausnahmefall herangezogen werden, zumal bei fehlender USt-ID-Nummer des Kunden auch die Abgabe einer zusammenfassenden Meldung scheitert und zu Rückfragen der Finanzverwaltung führen wird.
Abzuwarten bleibt, wie sich die Finanzverwaltung zum Urteil und evtl. zu den Anforderungen an alternative Nachweise äußerst. Während die Entscheidung einen sog. Inbound-Fall betraf (ein ausländisches Unternehmen erbringt Leistungen an inländische Leistungsempfänger), wäre darüber hinaus zu hoffen, dass für den outbound-Fall (ein Inländer erbringt Leistungen an ausländische Leistungsempfänger) gleichermaßen vorzugehen ist.
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In diesen und anderen umsatzsteuerlichen Themen stehen wir Ihnen bei Rückfragen selbstverständlich gerne zur Verfügung und halten Sie weiterhin auf dem Laufenden.
Norderstedt, April 2024
Dieser Beitrag ersetzt keine steuerliche Beratung und soll nur allgemein über steuerliche Themen informieren. Wir übernehmen daher keine Gewähr und somit keine Haftung für die Vollständigkeit und Aktualität sowie Richtigkeit der Inhalte.
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