Steuerpflicht von Mitgliedsbeiträgen während coronabedingter Schließzeiten strittig

Die Umsatzsteuer knüpft an den Leistungsaustausch an, also die Erbringung einer Leistung gegen Entgelt. Bei Leistungsstörungen stellt sich die Frage, ob Umsatzsteuer auch dann entsteht, wenn der Auftragnehmer Zahlungen erhält, obwohl er die vereinbarte Leistung nicht wie versprochen erbringt. Die Gerichte sind sich hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Behandlung von Mitgliedsbeiträgen, die Fitnessstudios während coronabedingter Schließzeiten vereinnahmt haben, (noch) nicht einig.

1. Hintergrund

Während der Corona-Pandemie mussten neben diversen anderen Einrichtungen auch die Fitnessstudios zeitweise aufgrund behördlicher Anordnung schließen. Viele Mitglieder zahlten in dieser Zeit aus Gewohnheit, aus Solidarität oder vielleicht auch mangels besserer Kenntnis ihre Beiträge im Rahmen langfristiger Mitgliedschaften weiter.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass das Mitglied einen Anspruch auf Rückzahlung hat, weil der Vertragspartner die vertraglich vereinbarte Leistung nicht erbracht hat (Urteil vom 4. Mai 2022 – XII ZR 64/21). Dass der Fitnessstudio-Betreiber für die Schließung nicht verantwortlich war und seinen Mitgliedern möglicherweise Ersatzleistungen anbot, steht dem zivilrechtlichen Anspruch nicht entgegen.

Fraglich ist insofern, ob ein Fitnessstudio für die auf Schließzeiten entfallenden und vereinnahmten Beiträge Umsatzsteuer zahlen muss. Mit Verweis auf das BGH-Urteil wäre dies zu verneinen, weil das Zivilgericht den Erstattungsanspruch des Mitglieds mit der fehlenden (vereinbarten) Leistung begründet.

 

2. Finanzgerichte sind sich nicht einig

Zuerst hat sich das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein (Urteil vom 16. November 2022 – 4 K 41/22) positioniert und die Umsatzsteuerpflicht der Beiträge bejaht. Der Leistungsaustausch bestehe nach Auffassung des Gerichts hinsichtlich der vom Fitnessstudio angebotenen Ersatzleistungen (u. a. Telefonhotline, Trainingstipps, Onlinekurse). Ob die Ersatzleistungen einen adäquaten Gegenwert zum Mitgliedsbeitrag hatten, sei für die Annahme eines Leistungsaustauschs nicht relevant. Denn die Fortzahlung der Mitgliedsbeiträge erfolgte erkennbar im Kontext des bestehenden Vertragsverhältnisses.
Zu einem anderen Ergebnis kommt das Finanzgericht Hamburg mit Urteil vom 16. Februar 2023 – 6 K 239/21. Es verneint die Steuerpflicht der Beiträge, weil die angebotenen Ersatzleistungen kein Ersatz für die vertraglich geschuldete Hauptleistung des Studios ist. Ferner sei die stillschweigende Fortzahlung des Beitrags kein Ausdruck einer Willenserklärung zur Verlängerung der Mitgliedschaft (durch zugesagte Zeitgutschrift nach dem Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit).

Als drittes Gericht äußerte sich das niedersächsische Finanzgericht mit Urteil vom 31. Mai 2023 – 5 K 59/22 – ähnlich wie das Finanzgericht Schleswig-Holstein: Die Weiterzahlung der Mitgliedsbeiträge während der Schließzeit erfolge im Rahmen der regulären Vertragslaufzeit nicht ohne Rechtsgrund. Ein Leistungsaustausch sei zu bejahen, weil das Mitglied durch die Fortzahlung konkludent der Erbringung von Ersatzleistungen bzw. der Vertragsverlängerung zugestimmt hat.

 

3. Beratungsempfehlung

Die Finanzverwaltung macht eine Erstattung der Umsatzsteuer im Fall vereinnahmter Anzahlungen (für zukünftige Leistungen) bzw. bei Entgeltberichtigungen im Rahmen eines zu bejahenden Leistungsaustausch davon abhängig, dass dem Kunden das geleistete Entgelt erstattet wird.

Für den vorliegenden Fall muss geklärt werden, ob die coronabedingten Schließzeiten der Fitnessstudios den Leistungsaustausch aufgehoben haben oder nicht. Die Rechtsfrage wird der Bundesfinanzhof beantworten müssen, bei dem aktuell zwei Revisionsverfahren (Fall des Finanzgerichts Schleswig-Holstein unter dem Aktenzeichen XI R 26/22, Fall des Finanzgerichts Hamburg unter dem Aktenzeichen XI R 5/23) anhängig sind.

Unternehmen, die während des Corona-Lockdowns Leistungsentgelte vereinnahmt und nicht zurückgezahlt haben, obwohl sie die vertragliche Leistung nicht erbringen konnten, und sich daher unsicher sind, ob sie in Bezug auf diese Einnahmen Umsatzsteuer schulden, sollten den Verlauf der Verfahren aufmerksam beobachten.

 

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Wir beraten Sie gerne zu diesem und weiteren umsatzsteuerlichen Themen und stehen für Fragen gerne zur Verfügung.

 

Ihr Team der

umsatz | steuer | beratung

 

Norderstedt, August 2023

Dieser Beitrag ersetzt keine steuerliche Beratung und soll nur allgemein über steuerliche Themen informieren. Wir übernehmen daher keine Gewähr und somit keine Haftung für die Vollständigkeit und Aktualität sowie Richtigkeit der Inhalte.

 

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