Der Bundesfinanzhof festigt die tätigkeitsbezogene Betrachtungsweise bei der Bewertung von Heilbehandlungsleistungen

Die Behandlungen von Notfallpatienten durch Ärzte des ärztlichen Notdienstes der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) sowie die Bereitschaft zur Erbringung dieser Leistungen stellt umsatzsteuerlich eine nach § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG steuerfreie Heilbehandlung dar. Nunmehr hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Steuerbefreiung auch gilt, wenn ein Arzt gegen Entgelt den ärztlichen Notfalldienst eines Berufskollegen übernimmt. Dies dürfte die umsatzsteuerliche Bewertung von Personalüberlassung im medizinischen Bereich positiv beeinflussen.

1. Hintergrund

In Deutschland sind die Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtet, Patienten mit akuten Erkrankungen (z. B. Infekte mit hohem Fieber) auch außerhalb der Sprechzeiten von Arztpraxen mit einem ambulanten ärztlichen Notdienst zu versorgen (nicht zu verwechseln mit Notärzten, die als Teil des Rettungsdienstes lebensbedrohliche Fälle behandeln).

Die Dienstpläne des ärztlichen Notdienstes werden regional festgelegt und können für niedergelassene Ärzte sog. Pflichtdienste vorsehen. Die zum Bereitschaftsdienst eingeteilten Ärzte können sich (z. B. bei Terminkollisionen) von einem anderen Arzt vertreten lassen. In der Regel erfolgt dies durch Ärzte, die sich auf Grundlage einer Kooperationsvereinbarung mit der KV freiwillig am Bereitschaftsdienst beteiligen. Die (Vertretungs-)Ärzte übernehmen bei einem Notdiensteinsatz die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Notdienstes und rechnen die erbrachten Heilbehandlungsleistungen selbst mit der KV ab.

Dem eingeteilten Arzt berechnet der Vertretungsarzt für die Übernahme ärztlicher Notfalldienste ein Entgelt.

Vom BFH zu klären war, ob der Vertretungsarzt seinem Kollegen durch die Freistellung von sämtlichen Verpflichtungen aus dem Notfalldienst umsatzsteuerpflichtig Freizeit „verkauft“ oder mit der Übernahme des Dienstes eine steuerfreie Heilbehandlung erbringt.

 

2. Entscheidung des Bundesfinanzhofs

Das Finanzgericht (FG) Münster konnte im vorinstanzlichen Verfahren mit der Durchführung des ärztlichen Notdienstes an sich keinen therapeutischen Zweck erkennen und verneinte eine steuerfreie Heilbehandlung nach § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG. Es handele sich vielmehr nur um die Schaffung der Voraussetzungen für die nachfolgende zeitnahe Erbringung von Heilbehandlungsleistungen.

Vor dem BFH hatte diese Bewertung keinen Bestand. Die Leistung des klagenden Vertretungsarztes gewährleiste eine zeitnahe Behandlung von Notfallpatienten. Auch die Bereitschaft, jederzeit und unmittelbar ärztliche Leistungen in Notfällen am Patienten zu erbringen, dient (als notwendige Voraussetzung der Heilbehandlung in Notfällen) bereits therapeutischen Zwecken.

§ 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG ist insoweit leistungsbezogen zu verstehen und darf nicht zu eng ausgelegt werden. Dass der vertretene Arzt aus dem gegen Entgelt abgegebenen Bereitschaftsdienst einen anderweitigen Vorteil (Freizeit) erhält, ist ohne Bedeutung, wenn der Bereitschaftsdienst bereits als steuerfreie Heilbehandlungsleistung zu qualifizieren ist.

 

3. Bewertung

Bereits mit Urteil vom 2. August 2018 (V R 37/17) hatte der BFH entschieden, dass notärztliche Bereitschaftsdienste bei Veranstaltungen grundsätzlich steuerfrei sind (selbst wenn im Einzelfall gar keine Notfälle zu versorgen waren und das Entgelt „nur“ für die Bereitschaft gezahlt wurde). Während das FG Niedersachsen in seinem Urteil vom 23. Januar 2020 (11 K 186/19) aus dem BFH-Urteil V R 37/17 die richtigen Schlüsse zog, legte das FG Münster § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG zu eng aus. Der BFH bekam so abermals Gelegenheit zu betonen, dass die Heilbehandlung bereits mit der Bereitschaft hierzu beginnt.

Durch die leistungs- und tätigkeitsbezogene Auslegung von § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG ist es dabei unerheblich, wenn der Arzt als Subunternehmer eines anderen Arztes tätig wird.

Die Finanzverwaltung vertritt in Abschnitt 4.14.1. Abs. 5 Nr. 12 Umsatzsteuer-Anwendungserlass eine abweichende Auffassung:

Die Überlassung von Personal im medizinischen Bereich stellt i.d.R. keine Heilbehandlungsleistungen dar.

Es ist fraglich, ob hieran nach dem vorliegenden BFH-Urteil festgehalten werden kann. Sofern das eingesetzte Personal über die medizinische Qualifikation verfügt und sich zur Übernahme von Heilbehandlungsleitungen verpflichtet hat, dürfte die Ausgestaltung der zivilrechtlichen Beauftragung des eingesetzten Personals an sich kein Ausschluss für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG darstellen.

 

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Ihr Team der

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Norderstedt, August 2025

Dieser Beitrag ersetzt keine steuerliche Beratung und soll nur allgemein über steuerliche Themen informieren. Wir übernehmen daher keine Gewähr und somit keine Haftung für die Vollständigkeit und Aktualität sowie Richtigkeit der Inhalte.

 

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