Steuerbarkeit von freiwilligen Zahlungen für Online-Angebote auf dem Prüfstand
Neben Influencern geraten auch andere Online-Geschäftsmodelle hinsichtlich ihrer (umsatz-) steuerlichen Behandlung zunehmend in den Fokus der Finanzverwaltung. Ob sogenannte „Donations“ von Besuchern kostenloser Websites an deren Betreiber der Umsatzsteuer unterliegen, muss nunmehr höchstrichterlich vom Bundesfinanzhof (BFH) geklärt werden.
1. Hintergrund
Die Umsatzsteuer knüpft bekanntermaßen an den Leistungsaustausch an. Ein solcher verlangt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer Leistung und einer Gegenleistung (Entgelt).
Wo die Annahme eines Leistungsaustauschs ausscheidet, bleibt in der Folge grundsätzlich auch kein Raum für die Umsatzsteuer.
Ob bei Geschäftsmodellen im Internet (z. B. bei kostenlosen Videos, Blogs, Apps oder Podcasts) ein Leistungsaustausch auch dann anzunehmen ist, wenn der Betreiber sein Angebot kostenlos und ohne jegliche Erwartung eines Entgelts bereitstellt, die Nutzer letztlich aber zur Honorierung des Angebots freiwillig an den Betreiber Geldspenden leisten („Donations“), ist umstritten.
2. Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 25. April 2025 (2 K 2085/21)
Im Streitfall vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG Berlin-Brandenburg) betrieb die Klägerin neben dem Verkauf von Büchern und E-Books u. a. auch einen journalistischen Online-Blog, auf welchem Artikel für alle Website-Besucher kostenlos zugänglich sind.
Den Besuchern war es möglich, den Blog durch freiwillige Donations zu unterstützen. Einen Vorteil gegenüber Nichtspendern (Exklusivzugänge, Exklusivberichte o. ä.) erhielten die Spender nach ihrer Donation jedoch ausdrücklich nicht.
Das Finanzamt unterwarf die Donations nach einer Außenprüfung der Umsatzsteuer, da es von einem Leistungsaustausch zwischen der Klägerin und den Spendern ausging (Zugang zu journalistischen Berichten gegen Entgelt).
Das FG Berlin Brandenburg teilte die Auffassung des Finanzamts jedoch nicht und entschied stattdessen, dass die Donations nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Zugleich ist der Klägerin auch der volle Vorsteuerabzug gewährt worden.
Begründet hat das FG Berlin-Brandenburg sein Urteil im Wesentlichen wie folgt:
- Die Donations erfolgten ohne jegliche vertragliche Grundlage und Rechtspflicht.
- Die Spender leisteten die Donations vor allem aus persönlicher Überzeugung und nicht in Erwartung eines individuellen Vorteils.
- Die Klägerin verschaffte den Spendern letztlich auch gar keinen Vorteil, da unabhängig von den Donations alle Besucher kostenlosen Zugang zu den Inhalten hatten, d. h. eine konkretisierbare Leistung war nicht festzustellen.
- Die Donations dienten der reinen Anschubfinanzierung des Blogs (analog zum Crowdfunding) und nicht der Vergütung eines journalistischen Angebots.
- Ein teilweiser Vorsteuerausschluss im Verhältnis zwischen steuerpflichtigen Verkäufen und nicht steuerbaren Donations kommt nicht in Betracht, weil alle eingekauften Leistungen der wirtschaftlichen Tätigkeit dienten (zu der auch der Online-Blog gehörte, analog einem Medienunternehmen).
Das FG Berlin-Brandenburg grenzte sein Urteil im Übrigen auch zu einem anderen Urteil des FG Düsseldorf vom 4. März 2022 (1 K 2812/19 U) ab, das Donations an einen Live-Streamer betraf.
Anders als im Fall des FG Berlin-Brandenburg, bei dem keinerlei Interaktion zwischen Betreiber und Spender erfolgte, gab es im Fall des FG Düsseldorf Interaktionen zwischen Streamern und Spendern.
Dies genügte dem FG Düsseldorf, um einen Leistungsaustausch anzunehmen (z. B. durch explizite Danksagungen im Stream oder im Chat, Namensnennungen, Handlungen im Stream gegen Donations als Entgelt hierfür).
Der BFH ließ erst im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren mit Beschluss vom 19. Mai 2025 (V B 25/24) die Revision zu.
3. Bewertung und Schlussfolgerungen
Die Frage „Leistungsaustausch oder nicht?“ wird auch weit über 30 Jahre nach dem Grundsatzurteil in der Rechtssache „Tolsma“ (Europäischer Gerichtshof vom 3. März 1994 – C-16/93) intensiver denn je diskutiert. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass die Rechtsprechung zu weitgehend analogen Themen hinsichtlich digitaler Modelle fortzuentwickeln ist.
Wie die Urteile des FG Berlin-Brandenburg und des FG Düsseldorf zeigen, kommt dem konkreten Lebenssachverhalt (Erwartung eines persönlichen Vorteils des Spenders? Vorteilsverschaffung durch den Anbieter? Interaktionen zwischen Anbieter und Spender? Finanzierungsmodelle von Angeboten?) bei der Beurteilung der Steuerbarkeit bei digitalen Angeboten eine entscheidende Bedeutung zu
Auch in anderen EU-Ländern (wie z. B. in Italien) wird gegenwärtig lebhaft darüber gestritten, ob Nutzerdaten ein verkapptes Entgelt für ein eigentlich kostenloses Nutzerkonto (z. B. auf LinkedIn oder Xing) sein können und dies zum Leistungsaustausch führt.
Abzuwarten bleibt, ob der BFH im anhängigen Revisionsverfahren dem FG Berlin-Brandenburg beipflichtet oder einen weiten Begriff des Leistungsaustausch an den Tag legt.
Anbieter von kostenlosen Online-Angeboten (digitale Start-Ups, Influencer, App-Entwickler, Streamer, YouTuber, TikToker, Blogger, Podcaster etc.) sollten die aktuellen Entwicklungen aufmerksam verfolgen und die steuerliche Behandlung ihrer Geschäftsmodelle überprüfen.
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Gerne unterstützen wir Sie hierbei.
Norderstedt, Oktober 2025
Dieser Beitrag ersetzt keine steuerliche Beratung und soll nur allgemein über steuerliche Themen informieren. Wir übernehmen daher keine Gewähr und somit keine Haftung für die Vollständigkeit und Aktualität sowie Richtigkeit der Inhalte.
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