Ungerechtfertigter Steuerausweis in Rechnungen – keine Umsatzsteuerschuld
Neben der gesetzlichen Umsatzsteuer – also der Steuer, die sich bei richtiger Anwendung des Gesetzes ergibt – wird grundsätzlich auch jede in einer Rechnung zu hoch ausgewiesene Steuer geschuldet. Wann das nicht der Fall ist und somit eine Korrektur der fehlerhaften Rechnung unterbleiben kann, hat der Europäische Gerichtshof in einem äußerst hilfreichen Urteil entschieden.
1. Unrichtiger Steuerausweis – Steuerschuld und Korrekturmöglichkeit
Nach § 14c Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) schuldet der Unternehmer den Mehrbetrag gegenüber dem Finanzamt, wenn er in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach dem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen hat. Betroffen sind Fälle des Irrtums über die Anwendbarkeit von Steuerbefreiungen bzw. hinsichtlich des Steuersatzes.
Der Leistungsempfänger kann aus solchen Rechnungen immer nur die „gesetzlich geschuldete“, also die richtige Umsatzsteuer geltend machen, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Leistungsempfänger zahlen entsprechend einen zu hohen Preis.
Eine Korrektur der zu hoch ausgewiesenen Umsatzsteuer setzt nach Ansicht der Finanzverwaltung eine Berichtigung der entsprechenden Rechnung voraus (vgl. Abschnitt 14c.1. Abs. 5 Umsatzsteuer-Anwendungserlass).
Insbesondere im Massengeschäft (Einzel- und Internethandel) ist der administrative Aufwand für eine Korrektur sehr hoch und manchmal nicht durchführbar, da die Namen und Adressen der Kunden nicht bekannt sind.
2. Urteil des EuGH
Ein in Österreich ansässiger Betreiber eines Indoor-Spielplatzes hinterlegte in seinen Registrierkassen irrtümlich den Regelsteuersatz (20%), obwohl für diese Leistungen der reduzierte Satz (13%) gilt. Das Finanzamt lehnte den Antrag auf Erstattung der Differenz mit dem Argument ab, dass die zu hohe Steuer auf die Kunden abgewälzt worden war und die Korrektur eine Belegberichtigung gegenüber dem Leistungsempfänger erfordern würde. Dass dies in einem solchen Fall unmöglich ist, versteht sich von selbst.
Der Europäische Gerichtshof (Urteil C-378/21 vom 08.12.2022, Rs. P GmbH) hat hierzu festgestellt, dass die Vorschrift zum zu hohen Steuerausweis in Rechnungen eine Missbrauchsvorschrift darstellt. Sie soll vermeiden, dass der Leistungsempfänger eine zu hohe Vorsteuer geltend macht. Wenn aber wie im vorliegenden Fall aus der Natur der Sache zu schlussfolgern ist, dass die Leistungsempfänger dem Grunde nach nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind (Besucher eines Indoorspielplatzes sind private Endkonsumenten), ist die Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen. Damit besteht für die Entstehung der zu hoch ausgewiesenen Umsatzsteuer kein Raum.
Auf die Frage, ob die Steuer auf den Kunden abgewälzt wurde und die Rückzahlung durch das Finanzamt den Leistungserbringer ungerechtfertigt bereichert, ist der EuGH nicht eingegangen.
3. Konsequenzen
Wenn der Leistungserbringer glaubhaft machen kann, dass seine Kunden nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind und eine Gefährdung infolge des zu hohen Steuerausweises ausgeschlossen ist, kann unter Bezugnahme auf das Urteil auch ohne Belegberichtigung und Rückzahlung der Steuerdifferenz an den Leistungsempfänger eine Rückforderung gegenüber dem Finanzamt geltend gemacht werden.
Weil die Auffassung des EuGH der aktuellen Verwaltungsauffassung in Deutschland widerspricht, ist eine Korrektur nach Maßgabe des Urteils sicherlich kein Selbstläufer. Die Argumente des EuGH sind aber durchschlagend und letztlich auch von deutschen Finanzämtern zu beachten.
Im Übrigen empfehlen wir grundsätzlich, in Endverbraucherrechnungen auf den Steuerausweis in Belegen zu verzichten. Der Steuerausweis ist nach deutschem Recht nicht zwingend (Ausnahmen gelten für Handwerkerrechnungen) und die Regelung greift bei Nutzung des OSS-Verfahrens auch für den innergemeinschaftlichen Fernverkauf (§ 3c UStG) sowie beim Verkauf elektronischer Leistungen (§ 3a Abs. 5 UStG).
*****
Wir stehen für Fragen in diesem Zusammenhang wie immer gerne zur Verfügung.
Norderstedt, März 2023
Dieser Beitrag ersetzt keine steuerliche Beratung und soll nur allgemein über steuerliche Themen informieren. Wir übernehmen daher keine Gewähr und somit keine Haftung für die Vollständigkeit und Aktualität sowie Richtigkeit der Inhalte.
Anmeldung zu „Umsatzsteuer aktuell”
Nutzen Sie unser kostenloses Angebot und lassen Sie sich über wichtige umsatzsteuerliche Veränderungen bequem per Email informieren.
MR Anmeldung