Vermietete Immobilie ist keine umsatzsteuerliche Betriebsstätte

Die umsatzsteuerliche Betriebsstätte ist in vielen Fällen Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des umsatzsteuerlichen Leistungsortes und des Steuerschuldners. Nun hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass eine vermietete Immobilie keine Betriebsstätte begründet, wenn der Vermieter in diesem Mitgliedstaat nicht über eigenes Personal verfügt.

1. Sachverhalt

Die Titanium Ltd. mit Geschäftssitz auf der Kanalinsel Jersey vermietete in den Streitjahren 2009 und 2010 eine in Wien belegende Immobilie umsatzsteuerpflichtig an zwei österreichische Unternehmer. Ein durch die Titanium Ltd. beauftragter österreichischer Immobilienverwalter kümmerte sich um die Vermittlung von Dienstleistern und Handwerksfirmen zur Durchführung notwendiger Reparaturen, um Mieterabrechnungen und die notwendigen Geschäftsaufzeichnungen. Hierzu unterhielt der Verwalter ein Büro außerhalb der von der Titanium Ltd. vermieteten Immobilie.

Alle wichtigen Geschäftsentscheidungen (Mietverträge, Beauftragung von Handwerkern) oblagen der Titanium Ltd., das Personal dieser Gesellschaft arbeitete außerhalb Österreichs.

Die Gesellschaft war der Auffassung, dass keine Ansässigkeit in Österreich bestand und die auf die Mieten entfallende Umsatzsteuer von den Mietern geschuldet wird (Reverse-Charge-Verfahren). Das Finanzamt Österreich vertrat jedoch die Auffassung, dass eine vermietete Immobilie eine Betriebsstätte darstellt und damit auch eine Steuerschuld der Titanium Ltd. auslöst. Gegen die festgesetzten Umsatzsteuerbescheide legte die Gesellschaft Beschwerde ein.

 

2. Entscheidung des EuGH

Nach ständiger Rechtsprechung setzt der Begriff „feste Niederlassung“ (gleichbedeutend mit der deutschen Definition „Betriebsstätte“) einen „hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur voraus, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht“. Dies spiegelt sich auch in dem seit Juli 2011 geltenden Art. 11 der EU-Verordnung Nr. 282/2011 (MwStDVO) wider. Weil die Titanium Ltd. in Österreich nicht über eigenes Personal verfügte und unternehmerische Entscheidungen bezüglich der Vermietung der Immobilie außerhalb Österreichs getroffen wurden, erfüllt die Immobilie nicht die Kriterien einer festen Niederlassung. Explizit heißt es im Urteil (Rz. 45):

„Eine Immobilie, bei der keinerlei personelle Ausstattung vorhanden ist, die zu autonomem Handeln befähigt, erfüllt offensichtlich nicht die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien für die Einstufung als feste Niederlassung“. Demzufolge ist das Verfahren der umgekehrten Steuerschuldnerschaft anzuwenden.

 

3. Konsequenzen

Das Urteil überrascht bei wörtlicher Auslegung von Art. 11 MwStDVO nicht, weil dort von einer personellen und technischen Ausstattung die Rede ist, die es erlaubt, Dienstleistungen zu erbringen bzw. zu empfangen und dort zu verwenden.

Es hätte insoweit keines EuGH-Urteils bedurft, um diese Frage abschließend zu klären. Verursacht wurde der Rechtsstreit allein dadurch, dass die österreichische Finanzverwaltung – wie tatsächlich auch die deutsche! – die Auffassung vertritt, dass eine vermietete Immobilie für Zwecke des Verfahrens der Steuerschuldumkehr Ansässigkeit begründet. So heißt es in Abschn. 13b.11. Abs. 2, Sätze 2 ff. Umsatzsteuer-Anwendungserlass: „Unternehmer, die ein im Inland gelegenes Grundstück besitzen und steuerpflichtig vermieten, sind insoweit als im Inland ansässig zu behandeln. Sie haben diese Umsätze im allgemeinen Besteuerungsverfahren zu erklären. Der Leistungsempfänger schuldet nicht die Steuer für diese Umsätze.“

Die anderslautende deutsche Rechtsprechung, wonach Windräder eine feste Niederlassung darstellen, weil die fehlende personelle Ausstattung durch die stark ausgeprägte sachliche Ausstattung kompensiert wird (FG Münster, Urteil vom 5. September 2014 – 5 K 1768/10 U und FG Köln vom 14. März 2017 – 2 K 920/14), ist damit hinfällig. Darüber hinaus muss wohl der Umsatzsteuer-Anwendungserlass angepasst werden.

Für Unternehmen, welche Immobilien in Mitgliedstaaten besitzen und daraus steuerpflichtige Umsatzerlöse erzielen (Büro- und Ferienimmobilien, Windräder) ohne dort ansässig zu sein oder über eigenes Personal zu verfügen, ist das Urteil aus zwei Gründen wichtig:

  • Es muss geprüft werden, ob sich die Umsatz­steuerschuld auf den Leistungsempfänger verlagert (Reverse charge, § 13b Umsatzsteuergesetz).
  • Wenn keine Registrierungspflicht besteht, können Vorsteuerbeträge nur noch im Vergütungsverfahren geltend gemacht werden.

Nach wie vor ist nicht abschließend geklärt, ob bei der Beurteilung einer Betriebsstätte das Personal eines Dritten zu berücksichtigen ist, über das der Unternehmer wie über eigenes Personal verfügen kann (vgl. dazu das EuGH-Urteil vom 16. Oktober 2014 –
C-605/12, Welmory). 

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Ihr Team der

umsatz | steuer | beratung

 

Norderstedt, Juni 2021

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