Garantiezusagen im Zusammenhang mit Lieferungen

Käufer von gebrauchten Kraftfahrzeugen oder anderen technischen Geräten können sich in vielen Fällen bereits beim Kauf über die gesetzlichen Gewährleistungsfristen hinaus gegen Defekte absichern. Händler bieten hierfür sog. Garantieverlängerungen an. Nun hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass es sich bei Umsätzen aus der Vermittlung von Garantieverlängerungen um versicherungsbezogene Tätigkeiten handelt, die von der Umsatzsteuer befreit sind. Das hat negative Auswirkungen auf den Vorsteuerabzug des Händlers aus seinen Allgemeinkosten. Mit diesem Thema hat sich auch die Finanzverwaltung in einem aktuellen Schreiben beschäftigt.

1. Sachverhalt

Das portugiesische Unternehmen Rádio Popular ist Händler für Unterhaltungselektronik sowie Haushaltsgeräte und bot seinen Kunden eine erweiterte Garantie auf die gekauften Waren an, die über die gesetzlich vorgeschriebene Gewährleistung hinausging. Entschied sich der Kunde für die Garantieverlängerung, schloss der Käufer den entsprechenden Versicherungsvertrag direkt mit dem Versicherungsunternehmen ab. Rádio Popular trat als Vermittler auf und erhielt von dem Versicherer eine Vermittlungsprovision. Rádio Popular behandelte diese Umsätze als sog. Hilfsumsätze mit Finanzgeschäften umsatzsteuerfrei und nahm daher keine Kürzung seiner Vorsteuerbeträge vor. Das Finanzamt Portugal vertrat jedoch die Auffassung, dass die (steuerfreie) Vermittlung der Garantiezusagen zur Aufteilung seiner Vorsteuerbeträge in einen abziehbaren und nicht abziehbaren Betrag führt, weil steuerfreie Versicherungsumsätze ein Abzugsverbot begründen.

 

2. Entscheidung des EuGH

Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung voraus, Kunden zu suchen, die am Abschluss eines Versicherungsvertrages interessiert sind und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen. Rádio Popular stand sowohl zum Versicherungsunternehmen als auch zum Käufer (Versicherten) in Kontakt und führte beide für den Abschluss eines Versicherungsvertrages zusammen. Der EuGH stellt daher in seinem Urteil C 695/19 vom 8. Juli 2021 zunächst fest, dass die Tätigkeit von Rádio Popular insoweit eine steuerbefreite Versicherungsvermittlung darstellt. Weiter führt der EuGH aus, dass steuerfreie Versicherungsumsätze keine Hilfsumsätze mit Finanzgeschäften sind. Die Vermittlung von Versicherungsprodukten führt daher zur Aufteilung relevanter Vorsteuerbeträge in einen abziehbaren und nicht abziehbaren Anteil.

 

3. Bewertung

Das Urteil überrascht bei wörtlicher Auslegung der gesetzlichen Vorgaben nicht und entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in Deutschland. Es unterstreicht die Notwendigkeit, das Recht auf Vorsteuerabzug regelmäßig zu prüfen, wenn neben steuerpflichtigen Umsätzen auch steuerfreie Ausschlussumsätze (z.B. im Finanzbereich) erzielt werden.

Sollten Sie zu diesem Themenbereich oder anderen umsatzsteuerlichen Fällen Fragen haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

 

4. Deutsche Finanzverwaltung

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat sich mit Schreiben vom 11. Mai 2021 unter Bezugnahme auf ein BFH-Urteil vom 14. November 2018 – XI R 16/17 – zum Thema Garantiezusagen durch Kraftfahrzeughändler geäußert, welches mit Schreiben vom 18. Juni auf andere Branchen erweitert wurde. Es geht hierbei um Garantien, die der Verkäufer eines Gegenstandes im eigenen Namen heraus-gibt und aus denen der Käufer einen Anspruch direkt gegenüber dem Verkäufer ableiten kann. Unabhängig davon, ob das Versprechen auf Geld- und/oder Reparaturleistung gerichtet ist, stellen diese Zusagen nach Auffassung des BMF keine unselbständige Nebenleistung zu der Lieferung der versicherten Ware dar, sondern sie sind als Versicherungsverhältnis nach § 4 Nr. 10 Buchstabe a Umsatzsteuergesetz (UStG) umsatzsteuerfrei. Vorsteuerabzugsverbote aus dazugehörigen Eingangsleistungen sind also auch hier zu beachten. Zu beachten ist darüber hinaus, dass die Garantiezusage versicherungsteuerpflichtig ist. Denn zwischen dem Garantiegeber und dem Käufer wird ein Versicherungsverhältnis begründet. Fahrzeughändler oder andere Unternehmen, die Garantiezusagen im eigenen Namen abgeben, müssen sich daher beim Bundeszentralamt für Steuern als Steuerentrichtungsschuldner erfassen lassen. Das Gleiche gilt, wenn die Garantiezusage von einem Dritten (z. B. Versicherer) erteilt wird und der Händler die Zusage mit Gewinnaufschlag an den Kunden weitergibt (§ 4 Nr. 10 Buchstabe b UStG), in diesem Fall schuldet der Händler Versicherungsteuer in Bezug auf diesen Preisaufschlag. Keine steuerfreie Garantiezusage liegt lt. BMF vor, wenn das Versprechen in Verbindung mit dem Abschluss eines sog. Vollwartungsvertrages für den Kaufgegenstand erteilt wird. In diesem Fall soll es sich um eine umsatzsteuerpflichtige Leistung eigener Art handeln. Welche Anforderungen an einen Vollwartungsvertrag zu stellen sind, wird leider nicht konkretisiert. Die Grundsätze des neuen BMF-Schreibens sind anzuwenden auf Garantiezusagen, die nach dem 31. Dezember 2021 abgegeben werden. Bis dahin gilt eine Übergangs- und Nichtbeanstandungsregelung. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass das BMF noch einmal nachbessert. Denn bei den Händlern regt sich erheblicher Widerstand gegen die Versicherungssteuerpflicht. Für Unternehmen, die ihren Kunden im eigenen Namen oder im Rahmen einer Vermittlung Garantiezusagen anbieten, sollten die potentiellen Auswirkungen im Detail geprüft werden, um für den Fall, dass die geänderte Verwaltungsauffassung tatsächlich zum 1. Januar 2022 in Kraft tritt, vorbereitet zu sein:

  • Wird eine Garantiezusage im eigenen Namen ausgesprochen oder die Zusage eines Dritten mit Preisaufschlag weitergereicht, muss sich das Unternehmen als Versicherungsteuerschuldner anmelden. Es gibt hier-für keine Bagatellgrenze! Zur Vermeidung der Versicherungsteuerpflicht wären entsprechende Vertragsanpassungen in Betracht zu ziehen.
  • Der Vorsteuerabzug aus Kosten, die den umsatzsteuerbefreiten Erlösen (Erteilung von Garantiezusagen mit oder ohne Preisaufschlag / Vermittlungsprovisionen) direkt oder im Wege vereinfachter Aufteilungsverfahren (Umsatzschlüssel) zuzuordnen sind, ist gem. § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen. Dies erfordert Anpassungen und Korrekturbuchungen in der Buchhaltung.

 

*****

 

Wir beraten Sie gern zu diesen und weiteren umsatzsteuerlichen Themen und freuen uns über eine Kontaktaufnahme bzw. Rückmeldung.

 

Ihr Team der

umsatz | steuer | beratung

 

Norderstedt, August 2021

Dieser Beitrag ersetzt keine steuerliche Beratung und soll nur allgemein über steuerliche Themen informieren. Wir übernehmen daher keine Gewähr und somit keine Haftung für die Vollständigkeit und Aktualität sowie Richtigkeit der Inhalte.

 

Anmeldung zu „Umsatzsteuer aktuell”

Nutzen Sie unser kostenloses Angebot und lassen Sie sich über wichtige umsatzsteuerliche Veränderungen bequem per Email informieren.
MR Anmeldung

GDPR Cookie Consent mit Real Cookie Banner