Neuregelung der Besteuerung von Reiseleistungen zum 1. Januar 2022

Bereits im Dezember 2019 wurde eine Änderung des § 25 Umsatzsteuergesetz beschlossen, die aufgrund einer nachträglich formulierten Übergangsregelung am 1. Januar 2022 in Kraft tritt. Unmittelbar betroffen sind Unternehmen, die in ihrer Haupttätigkeit mit der Erbringung von Reiseleistungen zu tun haben. Die Neuregelung tangiert aber auch den Einkauf von geschäftlich veranlassten Reisen sowie konzerninterne Weiterbelastungen von Reiseleistungen. 

1. Hintergrund

Unternehmen ist die grundsätzliche Funktionsweise der Umsatzsteuer als „Allphasensteuer mit Vorsteuerabzug“ bekannt: Vereinbarte Entgelte unterliegen der Ausgangsumsatzsteuer und aus Eingangsleistungen kann unter Beachtung der formellen Anforderungen an Rechnungen der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden.

Anders ist es im Bereich der Differenz- oder Margenbesteuerung, die vor allem aus dem Gebrauchtwarenhandel bekannt ist: Ein Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen ist nicht möglich, der Umsatzsteuer unterliegt dafür nur die Differenz zwischen dem Verkaufs- und dem Einkaufspreis (wobei die Umsatzsteuer aus diesem Betrag herauszurechnen ist).

Eine solche Besteuerung von Margen gibt es bereits seit ca. 40 Jahren auch im Bereich der Reiseleistungen. Allerdings ist die Anwendung der Vorschrift bislang auf das B2C-Geschäft (Umsätze an Endkunden) beschränkt. Aufgrund eines von der EU-Kommission angestrengten Vertragsverletzungsverfahrens wurde Deutschland gezwungen, die Regelung auf das B2B-Geschäft auszuweiten.

 

2. Anwendungsbeispiel

Eine Reiseleistung im Sinne des § 25 UStG liegt vor, wenn ein Unternehmer z. B. Beförderungs-, Übernachtungs-, Verpflegungsleistungen und (touristische) Unterhaltungsleistungen im eigenen Namen an einen Leistungsempfänger erbringt und hierfür Reisevorleistungen Dritter in Anspruch nimmt.

Der Unterschied zwischen Regel- und Margenbesteuerung lässt sich anhand eines einfachen Beispiels erklären:

  • Mitarbeiter des Unternehmens A (mit Sitz in den Niederlanden) möchten an einer Messe in Berlin teilnehmen.
  • Die in Frankfurt ansässige Tochtergesellschaft B wird gebeten, bei einem Berliner Hotelbetriebe die erforderlichen Zimmer zu buchen.
  • Das Hotel rechnet die Übernachtungsleistungen gegenüber B ab, B schreibt (im eigenen Namen) und unter Anwendung eines Preisaufschlages von 5% eine Rechnung an A.

Bislang macht B den Vorsteuerabzug aus der Hotelrechnung geltend und stellt an A eine Rechnung mit deutscher Umsatzsteuer (Belegenheitsprinzip) aus. Als ausländisches Unternehmen kann A die Vorsteuer grundsätzlich im Vergütungsverfahren zurückerhalten.

Ab Januar 2022 ist weder B (aus der Hotelrechnung) noch A (aus der Rechnung von B) zum Vorsteuerabzug berechtigt. B muss aber die in der verdienten Marge enthaltene Umsatzsteuer abführen.

 

3. Handlungsbedarf

Der aus dem Vorsteuerabzugsverbot resultierende Kosteneffekt der Margensteuer lässt sich vermeiden, indem Reiseleistungen nicht im eigenen Namen ge- und verkauft werden. Würde im o.g. Beispiel A das Hotel direkt buchen, könnte aus der Hotelrechnung weiterhin der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden. Alternativ dürfte B ohne umsatzsteuerliche Nachteile dahingehend unterstützen, dass die Hotelübernachtungen im Namen und für Rechnung von A gebucht werden.

Unternehmen, deren Geschäftstätigkeiten in der Organisation und Durchführung von Reisen bestehen, die an andere Unternehmen weiterverkauft werden (z.B. Reiseveranstalter, Paketer, Wiederverkäufer, Event-Agenturen) und die für diese Zwecke Reisevorleistungen im eigenen Namen einkaufen, stehen hinsichtlich des Wechsels von der Regelbesteuerung zur Margensteuer vor einer Mammut-Aufgabe. Denn die Anwendung der Margensteuer erfordert umfangreiche Anpassungen und Maßnahmen in den Bereichen

  • Einkauf und Vertrieb (Preiskalkulation)
  • Buchhaltung (Einrichtung neuer Konten, damit die Marge einfach berechnet werden kann)
  • IT (neues Rechnungslayout)
  • Recht (Anpassung von Vertragsmustern und AGB).

Sofern die Margensteuer im Rahmen des rechtlich Möglichen vermieden werden soll, sind ebenfalls erhebliche Anpassungen notwendig.

Zu beachten ist, dass es hinsichtlich der Neuregelung gravierende rechtliche Zweifelsfragen gibt. Beispielsweise ist nicht abschließend geklärt, was genau in den Anwendungsbereich der Neuregelung fällt und wie Reiseleistungen von „Nichtreiseleistungen“ abzugrenzen sind. Ferner wirft die Berechnung der Marge Fragen auf, wenn ein Unternehmen sowohl Reisevorleistungen als auch eigene Mittel einsetzt, um die Reiseleistung zu erbringen.

Die Thematik erweist sich insgesamt als sehr komplex, eine Einzelfallberatung ist insofern unvermeidbar

 

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Ihr Team der

umsatz | steuer | beratung

 

Norderstedt, November 2021

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