Säumniszuschläge verfassungsgemäß?

Bekanntlich wurde der allgemeine Steuerzinssatz für Zeiträume ab 1. Januar 2019 von 6% auf 1,8% p.a. abgesenkt (MR 07/2022). Ob in Bezug auf Säumniszuschläge Vergleichbares zu erwarten ist, kann in Anbetracht widersprüchlicher Signale vom Bundesfinanzhof noch nicht eingeschätzt werden.

1. Regelung zum Säumniszuschlag

Gem. § 240 Abgabenordnung (AO) ist für jeden angefangenen Monat ein Säumniszuschlag i. H. v. 1% des rückständigen Steuerbetrages an das Finanzamt zu entrichten, wenn Steuern nicht rechtzeitig zum Fälligkeitstag entrichtet werden. Neben allgemeinen Steuerzinsen (§ 233a AO / bei Zahlungen nach Ablauf der 15-monatigen Karenzzeit) und Verspätungszuschlägen (§ 152 AO / bei zu später Abgabe von Erklärungen) stellen Säumniszuschläge ein drittes Sanktions- und Kompensationsmittel der Finanzverwaltung dar. Der Erlass kommt wie auch für Steuern selbst nur unter sehr engen Voraussetzungen in Frage.

 

2. BFH-Beschluss vom 28. Oktober 2022

Ein Unternehmen hatte Lohnsteuer und Umsatzsteuer für den Monat Juli 2021 nicht fristgerecht am 10. August 2021, sondern erst am 20. August 2021 entrichtet. Das Finanzamt setzte einen Säumniszuschlag i. H. v. 1% fest, gegen den Einspruch eingelegt wurde. Obwohl der Gesamtbetrag der Säumniszuschläge lediglich 42 Euro betrug, hat der Steuerpflichtige ergänzend einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Diesen lehnte das Finanzamt ab.

Das Finanzgericht Münster wiederum gab dem Aussetzungsantrag mit Verweis auf das bundesverfassungsgerichtliche Urteil zur Höhe des Steuerzinses statt und signalisierte damit „mehr als nur unerhebliche Zweifel“ an der Rechtmäßigkeit von Säumniszuschlägen i. H. v. 1% für jeden angefangenen Monat. Gegen diesen Beschluss legte das Finanzamt Beschwerde ein. Dieser Beschwerde hat der Bundesfinanzhof (BFH) stattgegeben und damit über das Aussetzungsbegehren des Steuerpflichtigen negativ entschieden.

Als Gründe führt der VI. BFH-Senat insbesondere an, dass – anders als bei Steuerzinsen, mit denen temporäre Liquiditätsvorteile abgeschöpft werden sollen – Säumniszuschläge in erster Linie Druckmittel sind, um den Steuerpflichtigen zu einer fristgerechten Zahlung von Steuern zu bewegen. Ferner soll die Finanzverwaltung eine Entschädigung für zusätzlichen Verwaltungsaufwand zur Durchsetzung des Anspruchs erhalten. Die Verzinsung ist insofern nur ein Teilaspekt des Säumniszuschlags. Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Zinsen könne insofern nicht abgeleitet haben, dass ein im Säumniszuschlag beinhalteter Zinsanteil in Anbetracht des aktuellen Kapitalmarktumfelds als zu hoch anzusehen ist.

 

3. Bewertung und Ausblick

Zunächst einmal ist anzumerken, dass bei den hier vorliegenden Verfahren betreffend die Aussetzung der Vollziehung lediglich eine sog. summarische Prüfung im Sinne einer nur „überschlägigen“ Abwägung von Gründen erfolgt. In der Hauptsache wird der BFH wahrscheinlich noch entscheiden und ein Urteil fällen müssen. Beschlüsse zu Aussetzungsanträgen sind aber zumindest richtungsweisend und ein Indiz für den Ausgang der Klage.

Bemerkenswert ist vor allem, dass sich der VI. Senat mit dem vorliegenden (negativen) Aussetzungsbeschluss sowohl dem VII. Senat als auch dem V. Senat entgegenstellt, die Aussetzungsanträgen stattgegeben hatten. So hat der V. Senat explizit bestätigt, dass infolge des BVerfG-Urteils zu Steuerzinsen und in Anbetracht der Tatsache, dass Säumniszuschläge zumindest teilweise Kompensationscharakter für temporäre Liquiditätsvorteile des Steuerpflichtigen haben, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Säumniszuschläge ableiten lassen.

Man wird vor diesem Hintergrund also abwarten müssen, wie der BFH in der Hauptsache entscheiden wird. Es ist nicht auszuschließen, dass auch die Frage der Säumniszuschläge letztlich vor dem Bundesverfassungsgericht oder vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) landen wird.

Säumniszuschläge unterliegen der fünfjährigen Zahlungsverjährung i. S. d. § 228 AO. Mithin besteht kein akuter Handlungsbedarf. Sollte der Gesetzgeber später eine (vielleicht sogar rückwirkende) Anpassung bei der Höhe der Säumniszuschläge vornehmen, würde dies grundsätzlich sämtliche Steuerpflichtige betreffen. Bei höheren Beträgen raten wir dazu, gegebenenfalls einen Abrechnungsbescheid zu beantragen, dagegen Einspruch einzulegen und einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit Verweis auf die – wenn auch widersprüchlichen – Beschlüsse der BFH-Senate zu stellen. Dies gilt im besonderen Maße für die Umsatzsteuer, weil der hierfür zuständige V. Senat offenkundig eine etwas freundlichere Sicht an den Tag legt als der VI. Senat.

Allerdings hat der V. Senat des BFH zumindest bei der summarischen Prüfung keine grundsätzlichen EU-rechtlichen Bedenken gegen die Festsetzung von Säumniszuschlägen. Die Belastungsneutralität gelte danach nur für die Umsatzsteuer, nicht aber für steuerlichen Nebenleistungen. Unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung halten wir diese „erste“ Einschätzung des BFH für fragwürdig und raten weiterhin dazu, bei steuerlichen Nebenleistungen auf Umsatzsteuernachzahlungsbeträgen den Rechtsweg einzuschlagen (vgl. MR 07/2022).

 

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Ihr Team der

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Norderstedt, Januar 2023

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