Klarstellungen des BMF zu umsatzsteuerfreien Kostengemeinschaften – Anwendung auch bei jPöR!

Als Folge eines Vertragsverletzungsverfahrens wurde mit Wirkung zum 1.Januar 2020 die Steuerbefreiung i. S. d. § 4 Nr. 29 UStG in das UStG eingefügt. Es handelt sich hierbei um eine Befreiungsvorschrift für die von Personenzusammenschlüssen erbrachten Dienstleistungen. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit Schreiben vom 19. Juli 2022 erste Anwendungsfragen beantwortet.

1. Hintergrund

§ 4 Nr. 29 UStG basiert auf Art. 132 (1) f MwStSystRL. Dieser befreit Dienstleistungen von selbstständigen Personenzusammenschlüssen, wenn sie unmittelbar gemeinwohldienenden Tätigkeiten zuzuordnen sind. Die Dienstleistungserbringung an die Mitglieder muss ausschließlich gegen Kostenerstattung erfolgen und darf nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führen.

Im deutschen UStG hatten selbstständige Personenzusammenschlüsse bisher eine geringe Bedeutung, da die MwStSystRL bis 2019 nur begrenzt für Heilbehandlungsleistungen (§ 4 Nr. 14 d) UStG) umgesetzt war. Weil diese sachliche Einschränkung unionsrechtswidrig war, wurde Deutschland zur Anpassung verpflichtet (EuGH-Urteil vom 21. September 2017, C-616/15). Die Umsetzung erfolgte mit dem Jahressteuergesetz 2019, indem mit Wirkung zum 1. Januar 2020 die Vorschrift des § 4 Nr. 14 d) UStG gestrichen und der neue § 4 Nr. 29 UStG (ohne eine Beschränkung auf bestimmte Berufsgruppen) eingefügt wurde.

Die Befreiung zielt darauf ab, eine umsatzsteuerbedingte Verteuerung von dem gemeinwohldienenden Tätigkeiten zu vermeiden. Werden umsatzsteuerpflichtige Leistungen zugekauft, entstünde in Höhe der Umsatzsteuer mangels Vorsteuerabzugsberechtigung zusätzlicher Aufwand. Zudem hilft die Befreiung kleineren Unternehmen, die anders als große Unternehmen, notwendige Vorleistungen nicht selbst erbringen können, sondern von Dritten zukaufen müssen.

 

2. Inhalte des BMF-Schreibens

Das BMF hat u. a. folgendes klargestellt:

  • Der Personenzusammenschluss erfordert mehrere Mitglieder und muss ein eigenständiger Unternehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG sein. Nicht ausreichend sind sog. Aufwandpools.
  • Die Rechtsform des Personenzusammenschluss ist ohne Bedeutung. Auch Zweckverbände, Berufsverbände und juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) können einen Personenzusammenschluss bilden, nicht aber Stiftungen.
  • Es ist nicht erforderlich, dass die Leistungen an die Mitglieder im gleichen Verhältnis erbracht werden.
  • Nicht schädlich ist die zusätzliche Leistungserbringung an Dritte sowie an Mitglieder für deren steuerpflichtigen Leistungen. Diese Leistungen sind jedoch nicht steuerbefreit nach § 4 Nr. 29 UStG.
  • Der Begriff „Gemeinwohl“ umfasst auch nicht unternehmerische Tätigkeiten der Kommunen, der Länder und des Bundes im Rahmen ihrer hoheitlichen Tätigkeiten sowie Tätigkeiten der Religionsgemeinschaften.
  • Unmittelbar dem Gemeinwohl zu Gute kommen auch Dienstleistungen von Praxis- und Apparategemeinschaften (z. B. Laboruntersuchungen) sowie IT-Infrastrukturzusammenschlüssen an ihre Mitglieder, nicht aber allgemeine Verwaltungsleistungen, wie z. B. Buchführung.
  • Indizien für eine Wettbewerbsverzerrung sind die Erbringung von gleichen Leistungen in erheblichem Umfang an Nichtmitglieder oder die Gründung des Zusammenschlusses allein zur Vermeidung von Umsatzsteuerbelastungen.
  • Die Kostenerstattung beinhaltet Sach-, Personal- und externe Finanzierungskosten. Zudem soll eine verursachungsgerechte Umlage pauschal nach Mitgliederanzahl möglich sein sowie unterjährig pauschale Umlagen mit einem Spitzenausgleich am Jahresende.
  • Überschüsse sind unschädlich, sofern diese zukünftigen Investitionen dienen.

 

Das BMF-Schreiben ist erstmals für Umsätze ab dem 1. Januar 2020 anzuwenden. Für Umsätze in den vorherigen Zeiträumen ist eine Berufung auf Art. 132 Abs. 1 f MwStSystRL möglich.

 

3. Auswirkungen

Die Klarstellungen des BMF sind sehr zu begrüßen, da hinsichtlich der Anwendung zahlreiche Unklarheiten bestehen. Insbesondere ist erfreulich, dass die Anwendung nicht mehr auf bestimmte Berufsgruppen begrenzt ist. Zudem werden hoheitliche Tätigkeiten der jPöR von den gemeinwohldienenden Tätigkeiten erfasst – dies war zuvor unklar. Für jPöR stellt der § 4 Nr. 29 UStG somit eine echte Alternative dar, um eine mögliche Umsatzsteuerpflicht bei der interkommunalen Zusammenarbeit durch Einführung des § 2b UStG zum 1. Januar 2023 zu vermeiden (siehe unser Mandantenrundschreiben 05/2022).

Allerdings hat das BMF auch einige Fragen offengelassen. Unklar ist weiterhin, welche Tätigkeiten unmittelbar dem Gemeinwohl dienen, zumal IT-Infrastruktur hiervon erfasst wird, die Buchführung hingegen nicht. Ebenso ist die Feststellung von Wettbewerbsverzerrungen nicht klar dargestellt worden und lässt Fragen offen.

 

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Ihr Team der

umsatz | steuer | beratung

 

Norderstedt, August 2022

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